Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
passierte, das möglicherweise mit dem Verschwinden Newmans zu tun hatte. Dementsprechend hatte man ihn von einem Teller knorpeliger Fleischklößchen in Tomatensauce weggeholt und ihn zusammen mit den Leuten von der Spurensicherung am Tatort abgesetzt. Letztere hatten inzwischen ihre Schutzkleidung angelegt und sicherten gerade den Umkreis des Tatorts. Dieser war ein bisschen vage angesichts der Tatsache, dass die Körperteile weit verstreut lagen und Rousset und sein verdammter Köter schon überall herumgelaufen waren, deshalb glaubte Zen, dass er die wissenschaftliche Arbeit nicht wesentlich beeinträchtigen würde, wenn er ein Paar Gummischuhe überzog und sich die Sache persönlich genauer ansah.
Menschliche Überreste waren für Zen nichts Neues, und ihr Anblick machte ihm nur selten etwas aus, es sei denn, dass die Verletzungen am Körper des Toten erkennen ließen, dass das Opfer vor dem Tod gequält worden war. Dafür gab es hier keine Anzeichen, dennoch war der Anblick außergewöhnlich grauenvoll. Nachdem er sich während des kurzen Hubschrauberflugs aufgrund seiner Übelkeit blamiert hatte, bemerkte Zen mit Genugtuung, wie sich einer der Techniker rasch jenseits der Absperrung ins Gebüsch stürzte und sich dabei die antiseptische Maske vom Gesicht riss. Die Leiche lag mit dem Gesicht nach unten auf der Treppe, allerdings hatte sie kein Gesicht und keinen Kopf. Der gesamte Schädel sowie ein großes Stück von Schulter und Oberkörper waren weggerissen worden und lagen nun in Stücken auf den Steinen verstreut. Über Gliedmaßen und Rumpf hatten sich außerdem bereits Vögel und Nagetiere hergemacht.
Der Leiter des Spurensicherungsteams, der sorgfältig die Kleidung des Mannes durchsucht hatte, trat auf Zen zu. »In seinen Taschen ist nichts, und es sieht auch nicht so aus, als gäbe es irgendwelche Etiketten, aus denen man etwas entnehmen könnte.«
»Ungefähre Todeszeit?«
»Ist mindestens achtundvierzig Stunden her, aber wir müssen noch Tests durchführen.«
Zen starrte auf ein stemma , das in den Türsturz eingemeißelt war. »Was ist denn das da?«, murmelte er vor sich hin.
»Das Wappen der Familie Calopezzati«, erwiderte der Spurensicherungsbeamte, nachdem er einen Blick darauf geworfen hatte.
Einen Moment herrschte Schweigen.
»Waren früher mal Großgrundbesitzer hier in der Gegend.«
Zen nickte. »Lassen Sie mir Ihren vorläufigen Bericht so schnell wie möglich zukommen, ganz gleich, wie rudimentär er noch ist.«
»Selbstverständlich.«
»Muss verdammt heiß sein in dieser Schutzkleidung.«
»Ist es.«
Aurelio Zen kehrte in ungewöhnlich verbissener und entschlossener Stimmung in die Questura zurück. Was bisher vorgefallen war, waren nur Scharmützel gewesen. Das hier war Krieg, und wie in jedem Krieg bestand die oberste Priorität darin, den eigenen Stützpunkt zu sichern. Deshalb ging er nicht gleich in sein Büro, sondern zunächst in das des stellvertretenden Questore. Giovanni Sforza hatte bereits von der Entdeckung der Leiche und von Zens Ausflug an den Tatort gehört, doch sein einziger Kommentar zu der Angelegenheit war ein leichtes Hochziehen einer Augenbraue.
»Ziemlich üble Sache«, erklärte Zen. »Man hat ihm den Kopf mit irgendwas weggeblasen, könnte eine Schrotflinte aus nächster Entfernung gewesen sein oder vielleicht Sprengstoff. Der Mord fand an Ort und Stelle statt, ein verlassenes Dorf mitten im Nichts.«
Giovanni nickte verdrießlich, als würde das seine seit langem gehegten Ansichten darüber bestätigen, wie furchtbar das Leben in Kalabrien war.
»Ist es der Amerikaner?«, fragte er schließlich.
»Das weiß ich noch nicht. Es sieht so aus, als hätte man das Opfer ausgezogen und dann in einen billigen Anzug gesteckt, wie einen Toten, der zu einem traditionellen Begräbnis aufgebahrt wird. Nichts, woran man ihn identifizieren könnte. Aber Größe und Gewicht stimmen mit den Daten von Peter Newman überein.«
Er zögerte, als hätte er noch etwas hinzufügen wollen, es sich dann aber anders überlegt.
»Bis heute Abend sollte ich eine definitive Antwort haben.«
Sforza bedachte ihn mit einem vor Ironie triefenden Lächeln. »Wie gut, dass du hier bist, Aurelio. Sonst hätte uns das Ministerium irgendeinen Überflieger aus Rom geschickt, der uns alle rumkommandiert hätte.«
Mittlerweile war Zen gegen den Zauber der Ironie immun und reagierte ziemlich ungehalten. »Und da ich schon einmal hier bin, habe ich vor, diese Dreckskerle
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