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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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du selbst Opfer einer Geiselnahme, und danach bist du entweder tot oder es droht dir eine lebenslängliche Haftstrafe ohne Bewährung in dieser Hochsicherheitsherberge in Terni.«
    Giorgio gestikulierte gelangweilt. »Das ist doch nur Gerede, Nicola. Tatsache ist, dass ich dich nicht mehr brauche.«
    Er näherte sich, das Messer in der ausgestreckten Hand. In diesem Augenblick hatte Mantega eine wunderbare Inspiration.
    »Das mag ja sein, aber auf jeden Fall brauchst du Geld. Und ich rede hier von viel Geld, die Sorte Geld, mit der du dir Freunde kaufen und Leute beeinflussen oder dich ins Ausland absetzen kannst, wenn dir der Boden hier zu heiß wird. Das brauchst du, Giorgio, und ich weiß, wie du drankommst. Deshalb brauchst du mich.«
    Selbst Mantega glaubte nicht wirklich daran, dass dieser Appell in letzter Minute funktionieren würde, aber er war es seinem Ruf als notaio di fiducia schuldig, es zu versuchen. Doch Giorgio hielt tatsächlich inne. Er muss noch knapper bei Kasse sein, als ich geglaubt habe, überlegte Mantega. Das überraschte ihn allerdings nicht sehr. Die Begeisterung, mit der Giorgio auf Mantegas Vorschlag eingegangen war, Peter Newman zu entführen, hatte bereits gezeigt, dass seine Finanzen an einem Tiefpunkt angelangt waren. Und da er seine Geisel lieber getötet hatte, statt sie gegen Lösegeld freizugeben - dazu die zusätzlichen Kosten für die ganze Operation -, konnte es gut sein, dass er mittlerweile kurz vorm Bankrott stand. Trotz der Effektivität ihrer Operationen und ungeachtet ihrer erbarmungslosen Methoden hatten sich Giorgio und seine Komplizen nicht weit von dem Motto »Schlemmen oder Hungern« der historischen Briganten entfernt. Was sie an Geld hatten, gaben sie aus und sahen dann zu, dass sie neues kriegten.
    Mantega stand mit einem breiten Grinsen auf. »Steck das Messer weg, Giorgio, und dann sag ich dir, wie du in ein oder zwei Wochen einen Sack voll Geld verdienen kannst, und das ohne jedes Risiko. Das Schöne an diesem Plan ist nämlich, dass er genau genommen noch nicht mal illegal ist.«
    Giorgio rang sich ein verächtliches Lachen ab. »Was soll das denn für ein Scheiß sein?«
    »Was ganz Einfaches und Lukratives«, erwiderte Mantega in genau dem richtigen professionellen Tonfall. »Zieh dir einen Stuhl ran, Giorgio. Lass uns reich werden!«

30
    An diesem Abend blieb Aurelio Zen bis zehn Uhr an seinem Schreibtisch sitzen und kam sich immer mehr wie der Kapitän eines sinkenden Schiffes vor, der widerwillig die Tradition befolgt, mit seinem Schiff unterzugehen. Sollte er sich mit dem Untersuchungsrichter in Verbindung setzen und die Verhaftung von Nicola Mantega und Dionisio Carduzzi empfehlen, beide allem Anschein nach wichtige Zeugen und mögliche Komplizen in einem Mordfall, Ersterer wegen Beihilfe und Letzterer wegen Begünstigung als Strohmann und Vermittler für den Mann, der unter dem Namen Giorgio bekannt war? Oder sollte er einen noch günstigeren Zeitpunkt abwarten, der, wie ihm all seine Instinkte sagten, nicht mehr fern sein konnte?
    Letztlich kam er zu dem Schluss, dass er zu müde war, um eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Er ging im Dunkeln durch die drückende Schwüle zu seiner Wohnung und packte eine Reisetasche. Dann rief er beim Fahrdienst der Questura an und ließ sich einen Wagen kommen, der ihn zunächst zur Tankstelle Cosenza Nord auf der autostrada brachte, wo er sich ein panino und einen Liter Mineralwasser kaufte. Anschließend fuhren sie auf die spektakuläre Straße, die sich von der Schwemmebene des Crati aus in Kurven den Berg hinaufwindet, bevor sie in einer Folge von Tunneln und Viadukten die Gebirgskette durchstößt und dann steil und kurvig zur Küste hinunterführt, wo die wichtigste Nord-Süd-Verbindung der Eisenbahn entlangläuft.
    Es war eine milde Nacht, und Zen verbrachte die Stunde, die er bis zur Abfahrt des Zuges noch warten musste, draußen auf einer Bank vor dem Bahnhof, wo er sein Brötchen mit Schinken und Käse aß, den berauschenden Geruch des Seewinds in sich aufnahm und dem leisen Rauschen der Wellen am Strand lauschte. Cosenza zu verlassen erschien ihm wie die Flucht aus einem verschlossenen Raum. Als der Schlafwagenzug Conca d’Oro aus Palermo um zehn vor eins am Morgen einfuhr, war er froh, sich auf seinem Bett in einem geräumigen Excelsior-Abteil ausstrecken zu können und fünfeinhalb Stunden traumlos zu schlafen.
    Erst als er diesen ruhigen Ort verließ und sich mitten im römischen

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