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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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Rushhour-Verkehr wiederfand, wurde ihm klar, wie sehr er nach nur wenigen Monaten in Kalabrien zum Provinzler geworden war. Er fand es sowohl körperlich schwierig als auch emotional abstoßend, sich durch den Strom von Menschen zu kämpfen, die von allen Seiten auf ihn zukamen. Die leeren Blicke wie eine Waffe auf die private Zone unmittelbar vor ihnen gerichtet, die Aufmerksamkeit völlig in Anspruch genommen von den lauten Liedern oder den leisen Stimmen in ihren Köpfen und die Finger mit iPods und Handys beschäftigt, so marschierten sie alle, ohne einander oder ihre Umgebung wahrzunehmen, unaufhaltsam weiter wie eine Armee von Verdammten.
    Mitten in der riesigen Vorhalle des Bahnhofs Termini gab Zen auf und blieb benommen stehen. Sofort kam einer der Zombies auf ihn zu. Ganz automatisch legte er einige kleinere Münzen in die ausgestreckte Hand.
    »Hier entlang, Dottor Zen«, sagte das Wesen.
    »Wie haben Sie mich erkannt?«
    »Wir haben eine Fotografie erhalten.«
    Eine Fiat-Limousine parkte verkehrswidrig am Bordstein. Der Mann öffnete für Zen eine der hinteren Türen und stieg selber auf der anderen Seite ein.
    »Ihren Ausweis, bitte«, sagte er, als sie losfuhren.
    Zen reichte ihm seinen Dienstausweis. »Wohin fahren wir?«
    »Zu einem Haus, wo Sie die Person treffen werden, wegen der Sie gekommen sind. Unsere Fahrzeit beträgt etwa vierzig Minuten, je nach Verkehr. Dann wird es eine kurze Wartezeit geben, bis der Betreffende eintrifft.«
    »Aus Sicherheitsgründen?«
    »Nein, zu einem früheren Treffen war er nicht bereit. Er ist ein älterer Mann und steht nicht gerne früh auf.«
    Sie verließen die Stadt in südöstlicher Richtung über die Via Tuscolana, querten die Ringstraße und fuhren in die Ausläufer der Albaner Berge. In Frascati erklärte Zens Begleiter, dass sie zu früh wären, und schlug eine Kaffeepause vor. Am Rande des Hauptplatzes gab es keine Parkmöglichkeit, deshalb stellte der Fahrer den Wagen auf der rechten Fahrspur der Hauptstraße ab, vor der belebtesten und schicksten Bar. Ein Verkehrspolizist blies schrill seine Pfeife und kam mit großen Schritten herüber, doch der Fahrer sagte nur ein paar Worte zu ihm, und der Beamte zog wieder ab. Frascati war seit den Zeiten der Etrusker eine Spielwiese der Reichen und Mächtigen, und die Einheimischen hatten das eine oder andere darüber gelernt, wie man mit solchen Leuten umging.
    In der Bar blieb Zen sich selbst überlassen. Er bestellte einen Cappuccino und ein appetitlich aussehendes Stück Gebäck, und nachdem er dieses verzehrt und den Kaffee getrunken hatte, betrachtete er mit kühler Geringschätzung seine Aufpasser. Sie standen in einigem Abstand von ihm, hatten ihre Handys wie Pistolen auf die Theke gelegt und taten so, als würden sie ihn ignorieren, obwohl sie sich seiner Anwesenheit überaus bewusst waren. Der Fahrer, der Jüngere und Größere von beiden, war schlank und durchtrainiert, ein Macho mit Muskeln. Sein Vorgesetzter war fast kahlköpfig und hatte bei flüchtigem Hinsehen ein freundliches Gesicht mit ausgeprägten und leicht aufgedunsenen Zügen, wie ein weiserer und traurigerer Mussolini.
    Zen zahlte und ging nach draußen, um sich seine erste Zigarette an diesem Tag anzuzünden. Während er rauchte, nahm er mit großem Vergnügen die Szenerie um ihn herum wahr und musterte ausgiebig eine hinreißende Frau, die eine Mineralwasserflasche wie ein Baby an ihre Brust drückte. Sie warf ihm einen sehnsüchtigen Blick zu, bevor sie weiterschlenderte und ihre Pobacken dabei bei jedem Schritt verstohlen miteinander kommunizierten. Doch als er ein vertrautes squillo hörte, wurde er sofort wieder ganz dienstlich und schritt, das Handy wie ein Lebenserhaltungssystem umklammernd, den Bürgersteig auf und ab.
    »Ich bin’s, Arnone. Sie wollten, dass ich Sie informiere, falls es etwas Neues gibt.«
    »Berichten Sie.«
    »Das Digos-Team, das dieses Haus in San Giovanni beobachtet, berichtet, dass der Besitzer, Dionisio Carduzzi, das Haus bisher erst zweimal verlassen hat. Gestern Abend ist er in eine Bar in der Nähe gegangen und hat mit Freunden Wein getrunken. Heute Morgen hat er eine Zeitung gekauft, dann ist er in dieselbe Bar gegangen und hat einen Kaffee getrunken. Danach ist er nach Hause gegangen und seitdem nicht mehr aufgetaucht. Seine Frau ist gestern in die Kirche gegangen und heute Morgen zum Markt, um Gemüse und ein Huhn zu kaufen. Das ist alles. Sonst hat niemand das Haus betreten oder verlassen.«
    Er

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