Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
benutzt pizzini , dachte Zen, genau wie dieser Mafia-Boss Bernardo Provenzano. Kleine Zettel, die zusammen mit einem Geldschein dem Besitzer der Bar oder dem Zeitungshändler übergeben werden, unter dem Tisch einem Freund zugeschoben, von seiner Frau einem Marktverkäufer ausgehändigt oder in einem Messbuch in der Kirche deponiert werden. Das Dilemma, mit dem er sich am vergangenen Abend herumgeschlagen hatte, war damit gelöst. Die einzige Möglichkeit, solche Nachrichten abzufangen, wären Massenverhaftungen von im Wesentlichen unschuldigen Leuten, die noch nicht mal vorbestraft waren. Das wäre nicht nur ungeschickt, sondern auch ineffektiv.
»Sonst noch was?«, fragte er Arnone.
»Zwei Sachen. Das Telefonabhörteam hat berichtet, dass Carduzzi, als er von seinem morgendlichen Ausflug nach Hause kam, bei einer Baufirma in Vibo Valentia angerufen und nach jemandem namens Aldo gefragt hat. Dem hat er erklärt, dass ihr gemeinsamer Freund umgehend einen Bagger auf einem Tieflader brauche, zwei Schwerlaster, ein Dutzend erstklassige Steinmetze und zwanzig ungelernte Arbeiter. Die Maschinen und das Personal sollten auf dem Parkplatz der Tankstelle Rogliano südlich von Cosenza auf der A3 abgesetzt werden, von wo man sie abholen und zur Baustelle bringen würde. Bezahlung würde auf die übliche Weise erfolgen.«
»Sehr gut. Schicken Sie jemanden zu dem Treffpunkt und versuchen Sie, Fotos von den Auftraggebern zu kriegen. Klingt nach einem klassischen illegalen Bauvorhaben. Ich glaube nicht, dass es sich lohnt, Beamte von anderen Einsätzen abzuziehen, um das zu verfolgen. Merkwürdig ist allerdings, dass die Steinmetze brauchen. Normalerweise ist doch billiger, schlecht armierter Beton das Markenzeichen der Mafia.«
»Nicht, wenn’s um ihre eigenen Häuser geht«, wandte Arnone ein.
Die beiden servizi -Typen hatten mittlerweile die Theke verlassen. Mini-Mussolini kam herüber, berührte Zen am Arm und wies mit einer ungeduldigen Kopfbewegung auf das Auto. Zen ignorierte ihn.
»Und die andere Sache?«, fragte er Arnone.
»Ach ja, irgendeine verrückte alte Frau, die darauf besteht, mit Ihnen zu reden. Will nicht sagen, um was es geht, und will auch mit niemand anderem reden.«
»Wer ist sie?«
»Ihr Name ist Maria Stefania Arrighi, wohnhaft in Altomonte Nuova. Sie kam heute Morgen um sieben hier an und verlangte, den Polizeichef zu sprechen. Man sagte ihr, dass Sie unterwegs seien und erst spät zurückkommen würden, doch sie hat gesagt, sie würde warten. Hat sich auf der Bank in der Eingangshalle niedergelassen, und seitdem sitzt sie dort. Sollen wir sie rauswerfen?«
»Auf gar keinen Fall, und wenn sie von sich aus geht, versuchen Sie, eine Adresse und Telefonnummer zu erfahren.«
»Ich werd mich bemühen, aber sie weigert sich prinzipiell, mit irgendjemandem außer mit Ihnen zu sprechen.«
Eingerahmt von seinen beiden Aufpassern stieg Zen wieder in den Wagen, der nun eine sehr steile Nebenstraße hinauffuhr, aus deren engen Kurven man gelegentlich einen Blick auf die Hauptstadt hatte, wo die Kuppel der Peterskirche durch den flachen Dunstschleier zu erkennen war, der über der angrenzenden campagna lag, einer modernen Entsprechung des malariaverseuchten Miasmas, das jahrhundertelang die Bevölkerung dezimiert hatte.
Als sie schließlich ihr Ziel erreichten, musste Zen an Arnones Bemerkung über die Privathäuser der Mafia-Bosse denken. Nicht dass diese lange, flache Villa inmitten von alten Olivenbäumen und Weinbergen etwas Protziges an sich gehabt hätte. Die Assoziation war viel subtiler und beruhte auf der Tatsache, dass sie vor gut drei Kilometern an einem Schild vorbeigefahren waren, das den Beginn des Regionalparks Castelli Romani kennzeichnete. Die Villa war eindeutig nach der Einrichtung dieses Naturschutzgebiets gebaut worden, wo Neubauten strikt untersagt waren, doch die wichtige und mächtige Persönlichkeit, der sie gehörte, war mit großer Wahrscheinlichkeit kein Mitglied der Mafia, sondern der Regierung, die, wie jeder weiß, eine völlig andere Organisation ist.
Der Raum, in den man Zen führte, gab keinen offensichtlichen Hinweis auf die Identität dieses Mannes außer der Tatsache, dass er sich erlauben konnte, dem schlechten Geschmack zu frönen, der mit einem exorbitanten Preisschild daherkommt. An den Wänden hingen mehrere riesige Ölgemälde in dem belanglosen »zeitgenössischen« Stil, den arabische Sammler bevorzugen, auf denen nackte Frauen und sich aufbäumende Hengste
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