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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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Vorstadtstraßen von Rende zu erkunden, sich zum ersten Mal seit seiner Ankunft orientierungslos und einsam fühlte und sich in einem schwachen Augenblick dazu hatte verleiten lassen, in ein Restaurant namens American’s Dream zu gehen. Das grell erleuchtete Innere gab einem vage das Gefühl, als befände man sich während eines schlechten LSD-Trips in einem klassischen Esslokal der fünfziger Jahre, mit Kühlergrills und Radkappen von Autos aus jener Zeit an den Wänden, während eine Platte von den Beach Boys in einer völlig unpassenden Lautstärke lief. Tom hatte einen Cheeseburger mit Pommes bestellt, insalata Cesare und ein Bier. Es dauerte zwanzig Minuten, bis das Essen kam, und es war schrecklich. Das Fleisch war dünn und trocken, die Pommes schlaff und geschmacklos, der Caesar’s Salad ein einziger Matsch, aus der falschen Salatsorte gemacht, mit vorgefertigten Croutons und einer pampigen Sauce aus der Flasche. Die Rechnung belief sich auf fast zwanzig Dollar.
    Was soll’s, hatte er gedacht, als er in sein geschmackloses, steriles nuttiges Hotel ohne Nutten zurückkehrte. Wenn man reist, isst man halt ab und zu mal schlecht. Doch als er am Morgen im municipio war und Martin Nguyen stumpfsinnig eine vereinfachte Version der Erklärungen des stellvertretenden Bürgermeisters lieferte, die von so vielen verschiedenen Nuancierungen untermalt waren, dass sie oft schon sinnlos schienen, hatte Tom seine Idee gehabt. Die Sachen, die er am Abend vorher zu essen versucht hatte, waren alles einfache amerikanische Gerichte gewesen, die leicht zuzubereiten und auf ihre Art lecker waren - keine große Küche, aber schmackhaft und sättigend, wenn sie richtig gemacht wurden und man Appetit darauf hatte. Und offensichtlich gab es eine Nachfrage dafür, oder wie konnte sich das Lokal sonst halten?
    Das Problem war nicht das Konzept, sondern wie man es umsetzte. Und da kannte sich Tom aus. Außerdem hatte sich die politische Korrektheit hier noch nicht aufs Essen ausgewirkt. Wenn man sich nur vorstellte, dass man hier im Caesar’s Salad rohes Ei benutzen durfte, jeden Tag schön durchwachsene Schulter oder Haxe frisch durchdrehen und die von Hand geschnittenen Pommes in reinem Rinderfett vorfrittieren konnte, bevor man sie bei glühend heißer Temperatur braun brutzelte. Das Konzept klang solide, und aufgrund der veränderten finanziellen Situation nach dem Tod seines Vaters könnte er durchaus in der Lage sein, es zu verwirklichen, doch er würde Unterstützung von einem Einheimischen brauchen. Sobald das Testament bestätigt war, sollte genügend Startkapital vorhanden sein, doch Tom war bereits lange genug in Italien, um zu wissen, dass Geld allein für das, was er vorhatte, nicht ausreichte. Man konnte nicht einfach ein Ladenlokal mieten, es mit dem Notwendigen ausstatten, das Neonschild anstellen und das Geschäft eröffnen. Man brauchte für fast alles irgendein offizielles Dokument oder einen Stempel - hier gab es sogar das so genannte certificato di esistenza in vita , welches offiziell bestätigte, dass man am Leben war, oder es zumindest gewesen war, als man die Bescheinigung beantragte -, und obwohl so etwas rein theoretisch für jeden ausreichend qualifizierten Bewerber nach dem Prinzip »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst« erhältlich war, funktionierte das System in der Praxis nicht ganz so. Wenn man etwas erreichen wollte, und das vor allem schnell, brauchte man einen Mittelsmann, der alle Tricks kannte, um die Sache prompt zum Abschluss zu bringen. Dafür war Nicola Mantega genau der Richtige.
    Vor dem Gebäude, in dem Mantega seine Kanzlei hatte, bemerkte Tom die tolle Frau, mit der er vor zwei Tagen kurz in einem Café gesprochen und von der er seitdem nichts mehr gehört hatte. Sie lehnte an einer Art Wartungswagen, trug sehr viel schlampigere Klamotten als beim letzten Mal, obwohl sie ihr gut standen, und plauderte angeregt mit einem gut aussehenden Arsch in einem Firmenoverall. Tom wollte erst vorbeigehen, doch dann beschloss er, wenn er es in dieser Stadt zu etwas bringen wollte, durfte er nicht bei der ersten Herausforderung den Kopf einziehen.
    »Salve ! « , rief er laut, aber nicht aggressiv, so wie das die Einheimischen seines Alters taten.
    Die Frau sah ihn verständnislos an, dann setzte sie ein künstliches Lächeln auf. »Buon giorno . «
    Sie wirkte beschäftigt und machte keinerlei Anstalten, auf ihn zuzugehen. Eine interessante Person, dachte Tom, und möglicherweise nicht ganz

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