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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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Genehmigung für eine der zahlreichen Aktivitäten, für die eine offizielle Bescheinigung erforderlich war. Zen wollte schon vorbeigehen, doch da fiel ihm ein, was Arnone ihm gestern am Telefon gesagt hatte. Er hielt inne und ging zu ihr.
    »Kümmert sich jemand um Sie, signora ?«
    Die Frau betrachtete ihn mit einem Ausdruck von Entschlossenheit, der schon an Trotz grenzte. Sie wirkte verschrumpelt wie eine Rosine und hart wie eine Nuss und würde sich ganz bestimmt von niemandem beschwichtigen oder von ihrem Vorhaben abbringen lassen.
    »Ich möchte den Polizeichef sprechen«, sagte sie.
    »Der bin ich.«
    Die Frau betrachtete ihn erneut, als sähe sie ihn zum ersten Mal. »Ja, das sind Sie wohl«, räumte sie widerwillig ein.
    »Und wer sind Sie, signora ?«
    » Sono una creatura . Ein Mensch. Mein Name ist Maria Stefania Arrighi.«
    »Ach ja. Sie waren gestern schon mal hier, nicht wahr?«
    Sie nickte. »Man hat mir gesagt, Sie wären unterwegs.«
    »Das war ich. Aber weswegen möchten Sie mich denn sprechen? Ich habe heute Morgen sehr viel zu tun. Wenn es nicht ganz dringend ist …«
    Die Frau zuckte mit den Schultern. »Es könnte dringend sein. Wichtig ist es ganz bestimmt. Für mich zumindest.«
    Zen wägte ihre Worte ab. »Bis zum Mittag bin ich beschäftigt, signora , aber ich verspreche Ihnen, dass ich danach irgendwann Zeit für Sie habe.«
    »Dann warte ich.«
    »Diese Bank sieht sehr unbequem aus. Wir könnten einen Termin für drei Uhr machen. Ich sage Bescheid, dass man Sie dann gleich in mein Büro bringt. Bis dahin könnten Sie ein bisschen einkaufen gehen, einen Happen essen …« Er verstummte.
    »Ich warte hier«, sagte die Frau. In weniger als einer Stunde hatte Zen den Haftbefehl, was weit unter dem Durchschnitt für diese Prozedur lag. Auf dem Rückweg zur Questura klingelte sein Handy. Es war Lucio, der Techniker im Polizeilabor in Rom, dem er den Auftrag erteilt hatte, die DNA-Probe von Roberto Calopezzati zu analysieren und das Ergebnis mit den Werten der Leiche von Pietro Ottavio Calopezzati alias Peter Newman zu vergleichen.
    »Es freut mich ja, dass Sie immer noch viel Einfluss beim Ministerium haben«, sagte Lucio, »aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie den das nächste Mal nicht einsetzen würden, um uns zu stressen. Drei unserer besten Leute wurden reingerufen und mussten die ganze Nacht mit mir an diesen Tests arbeiten.«
    »Wo denken Sie hin? Das war nicht mein Einfluss, sondern Panik auf der oberen Etage. Dieser geschmacklose kleine Mord, der normalerweise irgendwo auf den Cronaca -Seiten der Zeitung verschwinden würde, steht plötzlich in den Schlagzeilen. Und er wird nicht von oben herab behandelt wie eine dieser typischen Geschichten aus Kalabrien, sondern mit dem schuldbewussten Tenor ›Wie konnte es nur so weit kommen?‹. Aber wie dem auch sei, haben Sie ein positives Ergebnis?«
    »Sonst hätte ich nicht angerufen.«
    »Es besteht also definitiv eine Beziehung?«
    Schweigen am anderen Ende. »Zwischen was?«
    »Um Himmels willen, Lucio! Sie mögen zwar die ganze Nacht auf gewesen sein, aber ich habe auch nicht sehr viel Schlaf bekommen. Zwischen dem Individuum, dessen DNA-Probe ich Ihnen gestern gegeben habe, und dem anderen, dessen DNA-Profil Sie ebenfalls zur Hand haben.«
    »Oh. In diesem Sinne nicht.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich meine, es gibt überhaupt keine Entsprechungen.«
    »Aber Sie haben doch gesagt, das Ergebnis wäre positiv.«
    »Rein technisch gesehen ja. Manchmal sind die Dinge nicht so eindeutig, je nach Alter der Probe, möglicher Verunreinigung und so weiter. Aber hier gibt es überhaupt keinen Zweifel. Die beiden Individuen besitzen völlig unterschiedliche genetische Profile.«
    »Es besteht also nicht die Möglichkeit, dass einer von ihnen der Sohn von der Schwester des anderen sein könnte?«
    »Absolut nicht. Sie sind ganz bestimmt in keiner Weise blutsverwandt.«
    Es folgte ein langes Schweigen.
    »Das war doch das Ergebnis, das Sie erwartet haben, oder etwa nicht?«, meldete sich schließlich Lucio zu Wort.
    Es war ein harter Test, aber Zen war ihm gewachsen.
    »Aber natürlich, Lucio. Sie haben meine Hypothese bestätigt. Vielen Dank.«
    Er schaltete das Telefon aus und ging mit leerem Blick weiter.

34
    Jetzt reichte es, dachte Emanuele Pancrazi, während er in das strahlend helle Licht blickte, das durch das Fenster ins Schlafzimmer strömte. Emanuele war gerade siebzehn geworden, seine Seele klaffte weit auf wie eine Muschel, um

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