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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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einen Happen essen. Also kannst du dir heute freinehmen.«
    »Aber wann kommst du denn zurück?«, fragte sein Vater beinahe mit Panik in der Stimme.
    »Kommt drauf an, ich melde mich. Okay, dann zieh ich mir besser mal ein paar schicke Klamotten an. Du weißt doch, wie viel Wert die hier auf gutes Aussehen legen. Diese Südländer sollen doch nicht meinen, wir anderen wären alle schlampig!«
    Zwanzig Minuten später trat Emanuele aus der Haustür und schlenderte die Hauptstraße entlang. Das rief zunächst eine gewisse Unentschlossenheit bei den beiden Männern hervor, die in einem Van saßen, der vor dem Palazzo aus dem achtzehnten Jahrhundert auf der Via Giuseppe Campagna parkte. Sie hatten die Anweisung, in die Pancrazi-Wohnung auf der dritten Etage zu gehen, den Jungen zu entführen und seinem Vater Achille, Professor für Alte Geschichte an der hiesigen Universität, einige ziemlich drastische mündliche Instruktionen zu erteilen.
    Einerseits hatte Giorgio überaus deutlich gemacht - am unvergesslichen Beispiel einer persönlich verabreichten Tracht Prügel, bei der man ihn gerade noch rechtzeitig von dem Übeltäter weggezogen hatte -, dass er es nicht duldete, dass seine Komplizen bei Einsätzen eigene Initiative entwickelten. Andererseits, wenn man sich den Jungen schnappte, während er alleine war, würde das für die beiden Männer und ihren Boss ein viel geringeres Risiko bedeuten, falls etwas schiefgehen sollte. Normalerweise hätten sie sich in so einem Fall gemeldet, um sich weitere Anweisungen zu holen, doch den beiden war verboten worden, Kontakt aufzunehmen, bevor der Auftrag erfüllt war. Nach einer hastigen Diskussion beschlossen sie loszuschlagen.
    Ihre Entscheidung erwies sich beinahe sofort als richtig. Wäre der Junge weiter in die Richtung gegangen, die er zunächst eingeschlagen hatte, nämlich den gewundenen Corso Telesio hinunter bis zur Brücke, die über den Busento führte, und von dort über die breiten Boulevards der Stadtteile aus dem neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, die sich dahinter erstreckten, wäre es schwierig gewesen, ihn sich zu schnappen, ohne Aufsehen zu erregen. Doch Emanuele wurde schon bald von dem Labyrinth von Gassen angezogen, die auf beiden Seiten der Hauptstraße abgingen, und spazierte mitten hinein in das Gewirr von mittelalterlichen Häusern, die zu einem kaum noch bewohnten Slum gehörten, der sich rings um den sanierten Kern des ursprünglichen Stadtzentrums gebildet hatte. Einer der beiden Männer, die Giorgio für diese Aufgabe ausgewählt hatte, war in genau diesem Stadtteil aufgewachsen und kannte dort jeden Winkel. Er wusste außerdem, dass ihr Van, trotz der Zweifel seines Kollegen, durch die Gasse passen würde, in die der Junge gerade eingebogen war, und dass es am anderen Ende eine Ausfallstraße gab, über die sie in wenigen Minuten aus der Stadt und auf der superstrada in Richtung Berge unterwegs sein würden.
    »Wir haben gerade im Lotto gewonnen«, sagte er, während beide ihre Sturmmasken überzogen.

35
    Tom Newman saß vorne neben dem Fahrer in Nguyens Mercedes. Nguyen saß allein hinten und schwieg verbissen. Das Auto war Tom nicht geheuer. Es war wie ein Leichenwagen für Lebende. Vielleicht löste dieser Gedanke die Idee aus, die ihm kam, als Nicola Mantega ihn anrief. Er beschränkte seine Antworten auf Äußerungen wie »Ich bin gleich da«. Rein theoretisch verstand sein Boss kein Italienisch, doch Tom hatte bereits genug von Martin Nguyen mitbekommen, um zu wissen, dass es immer gefährlich war, zu unterschätzen, wie viel er von irgendwas verstand.
    »Das war die Polizei, Mr Nguyen«, sagte er, als Mantega aufgelegt hatte. »Ich soll sofort auf die Wache kommen. Irgendeine bürokratische Sache wegen dem Tod meines Vaters.«
    Dafür erhielt er noch nicht mal einen mitfühlenden Blick.
    »Komm so schnell wie möglich ins Hotel zurück«, lautete die Antwort. »Diese ständigen Unterbrechungen gehen mir auf den Sack. Wenn das so weitergeht, muss ich mir einen neuen Dolmetscher suchen.«
    Tom scherte das einen Dreck. Er bat den Fahrer, am Straßenrand zu halten, trat hinaus in die milde Luft, stolzierte die Straße hinunter und fühlte sich wie ein King. Nicola Mantega wollte ihn in seinem Büro sprechen und ihn anschließend zum Mittagessen einladen. Das kam Tom sehr gelegen, weil er mit il notaio über die großartige Idee reden wollte, die ihm gestern Abend gekommen war, als er das Hotel verlassen hatte, um die trostlosen

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