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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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uninteressiert, hatte aber offenbar noch eine Menge anderer Dinge im Kopf. Kurz gesagt, eine komplizierte Situation, aber nicht aussichtslos. Er schlenderte dorthin, wo sie mit dem Elektriker zusammenstand, oder was auch immer der war. Gott, was hatte sie für fantastische Augen! Große olivgrüne Ovale mit einem intensiven, aber undefinierbaren Ausdruck, wie die Frauen, die auf griechischen Vasen dargestellt waren.
    »Du hast mich nicht angerufen«, sagte er.
    »Nein.«
    Darauf konnte Tom anscheinend nicht mehr viel sagen, also wandte er sich nach einem langen, bedeutungsschweren Blick ab und ging in das Bürogebäude.
    Angesichts von Mantegas Ruf hatte er erwartet, dass seine Büroräume etwas diskret Luxuriöses verströmen würden, mit vielen Topfpflanzen und einer spröden, wie ein Model aussehenden Empfangsdame, die ihr Dekolleté präsentierte und damit den Status ihres Chefs herausstrich. In Wirklichkeit sah es dort eher wie im Hinterzimmer eines kurz vor dem Ruin stehenden Gebrauchtwagenhändlers aus, aber Mantegas Begrüßung hätte kaum überschwänglicher sein können.
    »Tom, mein Freund! Was für entsetzliche Nachrichten über Ihren Vater! Ich bin erschüttert, ganz durcheinander, am Boden zerstört! Wenn man sich nur vorstellt, dass dieses unbeschreibliche Verbrechen hier geschehen konnte und dass ich …«
    Tom machte eine abweisende Handbewegung. »Ich möchte im Augenblick lieber nicht darüber reden.«
    Mantegas Gesichtsausdruck wechselte mühelos von einer tragischen Maske zum Devotionalienbild eines Heiligen mit einem traurigen, aber gütigen Blick.
    »Selbstverständlich! Wie taktlos von mir. Das ist ja unverzeihlich. Setzen Sie sich doch bitte.«
    Er deutete auf einen giftgrünen Schalensessel aus Plastik mit Edelstahlbeinen, eine billige Geschmacklosigkeit aus den siebziger Jahren, die irgendwie überlebt hatte.
    »Sie haben gesagt, Sie wollten etwas mit mir besprechen, bevor wir Mittag essen gehen«, begann Tom. »Ich möchte Sie auch etwas fragen, aber das hat Zeit.«
    »Ja, es gibt da eine Sache, die mich sehr beschäftigt, über die man aber vielleicht besser in einer sicheren Umgebung reden sollte. Es ist eine ziemlich heikle Angelegenheit, wenn Sie verstehen, was ich meine, doch ich sehe keinen Grund, weshalb wir, wenn wir zusammenarbeiten, nicht zu einer für beide Seiten vorteilhaften Übereinkunft kommen sollten.«
    »Worüber?«
    »Nun ja, es betrifft diesen Amerikaner, der vor ein paar Tagen hier eingetroffen ist.«
    »Martin Nguyen?«
    »Ich habe gehört, dass Sie für ihn arbeiten.« Mantega lachte spitzbübisch. »Das ist absolut illegal, wissen Sie! Nicht-EU-Bürger dürfen hier nicht arbeiten, ohne ihr ganzes Leben zu verpfänden, und das auch erst, nachdem sie monatelang ein halbes Dutzend verschiedene Häupter der bürokratischen Hydra um das Recht angefleht haben, es tun zu dürfen. Schließlich bringen Sie unsere armen italienischen Übersetzer um ihr täglich Brot. Ich sollte Sie eigentlich bei den Behörden anzeigen!«
    »Was war denn mit meinem Vater? Er hat doch auch hier gearbeitet, bevor …«
    Mantega wurde auf der Stelle wieder ernst. »Das konnte ich aufgrund der Tatsache in die Wege leiten, dass die fragliche Tätigkeit von beschränkter Dauer und beschränktem Umfang und so straordinario war, dass niemand anders sie hätte ausüben können. In Ihrem Fall sieht das jedoch anders aus. Darüber werden wir allerdings hinwegsehen.«
    »Ich könnte mir vorstellen, dass das hier häufiger passiert«, bemerkte Tom.
    »Aber natürlich«, erwiderte Mantega selbstgefällig. »Andernfalls würden wir alle im Bürokratismus ersticken und bekämen überhaupt nichts geregelt. Keine Angst, Ihr Geheimnis ist bei mir sicher. Ich sage kein Sterbenswort.«
    Tom nickte reserviert. »Sie möchten also mit mir eine Übereinkunft in Bezug auf Signor Nguyen treffen?«
    »Es geht eher um die Leute, die er vertritt. Sie haben mir doch erzählt, dass die unter dem Vorwand, Vorbereitungen für einen Film zu treffen, der hier gedreht werden soll, in Wirklichkeit nach dem Grab des Alarich suchen. Wie ich Ihnen gestern sagte, haben bereits viele andere vergeblich versucht, diesen sagenumwobenen Schatz zu finden, und es kann sehr gut sein, dass diese Leute auch nicht mehr Glück haben. Andererseits verfügen sie zweifellos über eine bei weitem überlegene Technologie, deshalb können wir eine solche Möglichkeit nicht ganz ausschließen. Mein Anliegen ist: Wenn sie das Grab finden, muss ich das

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