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Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)

Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)

Titel: Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Conrad
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gar böse? Wie sollte ich meine Eltern und Großeltern und Frau Kapp überhaupt finden und erkennen – denn da oben wäre ja, bei all den Toten seit der Steinzeit, sicher der Teufel los.
    Und noch eine Frage trieb mich um: Was würden wir mit der ganzen unendlichen Zeit im Himmel anfangen? Ich hatte mir immer vorgestellt, ich würde mit meiner Freundin Christa im Paradies Schlüsselblumen pflücken auf einer großen Himmelswiese ganz ähnlich der vom Überhof im Ohrensbachtal. Das konnte man vielleicht ein paar Tage machen – aber Wochen, Jahre, Jahrtausende, bis in alle Ewigkeit? Mir wurde ganz schwindelig.
    Irgendwann nach der Beerdigung von Frau Kapp fragte ich meine Mutter, wie sie denn abends einschlafen könne bei all dieser Ungewissheit und ob ihr die Unendlichkeit und das Universum nicht auch unheimlich seien. Ihre Antwort beruhigte mich nicht wirklich: Sie könne sich gut erinnern, dass sie als Kind auch oft darüber nachgedacht habe, aber das hätte aufgehört, andere Dinge wären dann wichtig gewesen.
    Meine Mutter hatte recht: Eines Tages dachte ich abends vor dem Einschlafen an Klassenarbeiten und schlechte Noten, träumte von Jungs und Abenteuern in Südamerika. Später machte ich Einkaufslisten, führte in Gedanken Gespräche mit Vorgesetzten oder machte mir Sorgen um den Husten meiner Kinder. Das Grübeln über Unendlichkeit und Tod und Sterben hatte ich ordentlich in eine Truhe im hintersten Winkel auf dem Dachboden meiner Seele gepackt. Nur selten habe ich bei bestimmten Anlässen vorsichtig hineingespäht und den Deckel gleich wieder zugeschlagen, wenn die düsteren Gedanken in mir hochzukriechen drohten. Denn das war der Tod – düster. Während ich als Kind unbefangen und neugierig wissen wollte, was es mit ihm auf sich hatte, fürchtete ich ihn nun, sah ihn als das dunkle, gnadenlose Schicksal, das uns aus dem Leben reißt.
    Natürlich habe ich mich immer wieder mit Tod und Sterben befasst, beruflich sowieso, wenn ich von Hungersnöten oder Kriegen, von Terroranschlägen und Unglücken aller Art berichten musste. Auch privat konnte ich dem Thema nicht ständig aus dem Weg gehen, es starben ferne, ältere Angehörige und Bekannte, oft im Krankenhaus oder im Heim. Aber es traf immer die anderen, die »Einschläge« kamen in sicherem Abstand, der Tod hatte etwas Abstraktes, er blieb weit weg.
    Und unsere Sprache hilft uns mit einem ganzen Arsenal an Formulierungen, um ihn uns vom Hals zu halten. Noch nicht einmal das Wort »Sterben« müssen wir in den Mund nehmen. Formulierungen wie »er ist von uns gegangen«, »sanft entschlafen« oder »erlöst« ersparen uns, beim Namen zu nennen, was für uns eigentlich unaussprechlich ist. Auch für die eigene Haltung in der Begegnung mit Sterben und Tod gibt es passend konfektioniertes Vokabular: Man ist »bestürzt«, »setzt sich auseinander«, »geht mit dem Verlust um«, »stellt sich seinen Gefühlen«, »leistet Trauerarbeit«. Worte, die uns erlauben, all unsere Gefühle und Gedanken, die Trauer und die Angst fein säuberlich zu verpacken, gegebenenfalls verziert mit einem Schleifchen aus Pathos oder Betroffenheit.
    Leichter als die Berührung mit dem alltäglichen Tod fällt uns erstaunlicherweise die Begegnung mit dem spektakulären, skandalösen Dahinscheiden. Mal ist es die Art und Weise des Todes, mal die Prominenz des Toten, die für Aufsehen sorgt. Im Fall von Michael Jackson traf beides zu. Der plötzliche Tod des Megastars unter mysteriösen Umständen wurde zum globalen medialen Ereignis der Superlative. Auch bei Prinzessin Diana oder dem deutschen Torwart Robert Enke wurde öffentliche Trauer bühnenreif inszeniert und die Erschütterung von Millionen medienwirksam kanalisiert. Aber der Schrecken des Todes bleibt hier ohne Risiken und Nebenwirkungen. Als bloßer Beobachter, als Schaulustiger lässt man sich emotional zwar mitreißen, ist aber persönlich nicht betroffen. Aus sicherem Abstand können wir Anteil nehmen und im Schutz der anonymen Masse den Schrecken des Todes als wohligen Grusel erleben. Beerdigungen und Trauerfeiern werden hier zur Show, bei der alle Gefühlsregister gezogen werden. Im Hintergrund immer eine diskrete Regie, die – anders als im richtigen Leben – alles unter Kontrolle hat.
    Tod und Sterben sind für die meisten von uns heute ein virtueller Akt. Im Fernsehen oder auf der Leinwand wird mal fein säuberlich im Bett gestorben, ein andermal blutig durch Unfall oder Mord, in jedem Fall aber tauchen die, die

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