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Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)

Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)

Titel: Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Conrad
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Wirklich! Auch wenn ich kaum schlucken konnte vor Halsschmerzen oder mich bellender Husten quälte – nie bekam ich so viel Zuwendung und Aufmerksamkeit, wie wenn ich das Bett hüten musste. Das Wunderbarste war ein Glöckchen, das auf meinem Nachttisch stand und das ich läuten durfte, wenn ich »dringend« etwas brauchte. Eine heiße Milch mit Honig, ein neues Zwiebelsäckchen gegen die Ohrenschmerzen oder einfach das Gefühl der kühlen Hand meiner Mutter auf meiner Stirn.
    Einmal – ich war acht Jahre alt – lag ich wochenlang im Bett. Ich hatte einen schlimmen Unfall im Schwimmbad gehabt und mir dabei das Knie so schwer verletzt, dass die Ärzte Sorge hatten, ich könnte ein »Humpelbein« zurückbehalten. Das hat man mir natürlich nicht erzählt, um mich nicht zu ängstigen. Und so war ich nicht grade geduldig, als ich nach der Operation das eingegipste Bein eine gefühlte Unendlichkeit lang nicht bewegen durfte. Ich lag im Bett und drohte, mich zu Tode zu langweilen. Einen Fernseher hatten wir noch nicht, ohnehin begann das Programm damals erst um 17 Uhr, davor gab es nur ein Testbild. Meine Freundin Christa war in der Schule, und meine Mutter hatte anderes zu tun, als mich stundenlang zu bespaßen. So wurden zu meiner Unterhaltung Unmengen von Büchern herangeschleppt, und ich las und las, alles, was mir zwischen die Finger kam. Schön, aber auf Dauer auch eintönig. Und weil man bekanntlich zusammen weniger alleine ist, war es eine wunderbare Abwechslung, wenn Odi, meine geliebte Großmutter, zu Besuch kam. Dann saß sie stundenlang an meinem Bett, klapperte mit ihren Stricknadeln, erzählte von früher oder las mir vor. Gemeinsam haben wir in jenen Wochen alle Märchenbücher gelesen, die aufzutreiben waren – die von Hauff, den Gebrüdern Grimm und Hans-Christian Andersen, chinesische und indianische und natürlich die Abenteuer aus Tausendundeiner Nacht.
    Bücher und Geschichten sind ein unerschöpflicher Schatz an Wissen und Erfahrung. Sie legen uns eine Welt zu Füßen, die wir in unserer Phantasie bereisen können – bis an die Enden der Erde und in die hintersten Winkel unserer Seele. Es gibt nichts, was wir in Büchern nicht finden könnten.
    Auch mir lieferten damals die Märchen viel Stoff zum Nachdenken und mündeten in endlose Gespräche mit meiner Großmutter. Da gab es zum Beispiel ein arabisches Märchen – Fern in Bagdad – über den Lieblingsdiener des Königs von Damaskus. Der stürzte eines Tages in die Gemächer seines Herrn und erklärte ihm ganz aufgeregt, er brauche das schnellste Pferd im Stall, da er umgehend nach Bagdad fliehen müsse. Der überraschte König fragte nach dem Grund für diese überhastete Flucht und erfuhr, dass sein Diener im Garten soeben dem Tod begegnet war. Und der habe bereits die Arme nach ihm ausgestreckt. Nun müsse er so schnell wie möglich fort, um dem Tod zu entkommen. So geschah es dann auch. Nachdem der verängstigte Mann mit dem besten Pferd seines Herrn vom Hof geritten war, ging der König selbst in den Garten, um nach dem Rechten zu sehen. Als auch er dem Tod begegnete, fragte er erzürnt: »Was fällt dir ein, meinen Diener so zu erschrecken? Was willst du von ihm?«
    »Ich wollte ihn nicht erschrecken«, entgegnete der Tod, »ich war nur überrascht, ihn hier zu sehen, denn eigentlich wollte ich ihn am Abend in Bagdad treffen, wo er heute noch sterben wird.«
    Wir können dem Tod nicht entfliehen – nicht einmal mit dem schnellsten Pferd der Welt. Wir können ihn auch nicht übertölpeln, wie es der Arzt in Grimms Märchen vom Gevatter Tod versucht. Der Mann galt als Wunderheiler, wobei niemand wusste, dass er das Patenkind des Todes war und eine Abmachung mit ihm hatte: Stand der Tod bei einem Patienten am Kopfende des Bettes, so konnte der Kranke ganz sicher geheilt werden. Zeigte er sich aber zu dessen Füßen, so war dem Patienten nicht mehr zu helfen – er musste sterben. Das ging lange gut so, bis der Arzt eines Tages zum sterbenden König gerufen wurde. Als er an dessen Bett trat, sah er am Fußende den Tod stehen. Damit war klar, dass es hier eigentlich keine Hilfe mehr gab. Der Arzt aber wollte dieses Urteil nicht annehmen und drehte das Bett kurzerhand um, so dass Gevatter Tod sich mit einem Mal am Kopfende des Bettes wiederfand und der König weiterleben konnte. Der Tod, über diese Hinterlist zwar erbost, ließ den Arzt dennoch dieses eine Mal gewähren.
    Kurze Zeit später wurde die Tochter des Königs, sein einziges Kind,

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