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Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)

Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)

Titel: Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Conrad
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schwer krank und der Herrscher versprach: Wer sie rettet, der darf sie zur Frau nehmen, wird König und erbt das ganze Reich. Der Arzt konnte der Versuchung nicht widerstehen und drehte abermals das Bett herum. Diesmal aber hatte der Tod kein Verständnis für diese List, am Ende bezahlte der Arzt mit seinem eigenen Leben.
    Den Tod kann man nicht hinters Licht führen – nicht einmal im Märchen.
    *
    In unserer modernen Gesellschaft glauben wir, die Welt im Griff zu haben, alles kontrollieren zu können. Wir sind daran gewöhnt, uns gegen alles abzusichern, was unangenehm oder eine Bedrohung sein könnte: gegen Feuer und Wasserrohrbruch, Arbeitslosigkeit und Pflegebedürftigkeit, gegen Reisehindernisse und verlorenes Gepäck. Gegen den Tod aber gibt es keine Versicherung. Ihm müssen wir uns stellen, ohne Sicherheitsnetz und Rettungsleine, ohne ADAC -Schutzbrief oder Rücktrittsklausel. Er ist das einzige Ereignis, von der Geburt einmal abgesehen, das unausweichlich wirklich jeden Menschen trifft.
    Aber statt uns darauf vorzubereiten, versuchen wir, das Thema Tod und Sterben zu meiden, selbst wenn es uns geradezu ins Gesicht springt.
    Eine Bekannte beispielsweise, die plötzlich ein Mützchen trug statt des vertrauten Pagenkopfs, wurde von Kollegen zwar aus der Ferne freundlich gegrüßt, aber die meisten, erzählte sie mir, fragten gar nicht, was eigentlich los sei oder wie es ihr gehe. Die schnellen Rückschlüsse in den Köpfen der anderen kann man leicht nachvollziehen, die Gleichung ist simpel: Keine Haare heißt Chemo, und das bedeutet Krebs, und an Krebs kann man sterben – um Himmels willen! Bloß nicht dran rühren! »Ich nehme den Leuten ihr Verhalten noch nicht mal übel«, meinte die Frau, »sie wissen wahrscheinlich einfach nicht, was sie sagen sollen.«
    Tatsächlich ist da häufig Unsicherheit und die Angst, indiskret zu sein, etwas anzusprechen, worüber ein offensichtlich Kranker vielleicht gar nicht reden möchte, das ihn womöglich verletzt und Wunden aufreißt. Für die Betroffenen ist solche Rücksichtnahme allerdings oft viel verletzender als jede noch so ungeschickt hervorgebrachte Anteilnahme. Sie fühlen sich in ihrem Leid ignoriert und alleingelassen. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass das Mitgefühl anderer Menschen in einer solchen Lebenskrise eine Wohltat, ein Anker, wirklicher Trost sein kann. Das ist auch eine zentrale Erkenntnis der mittelalterlichen Sage um den jungen Ritter Parzival, der auf der Suche nach dem Heiligen Gral Bewährungsproben bestehen muss und den Schlüssel zur Erlösung schließlich in einer einfachen Frage findet, der Frage nämlich: Was fehlt dir? Als er in der Gralsburg den von schrecklichem Leid sichtbar gezeichneten König Amfortas zum ersten Mal trifft, wagt er nicht, diese Frage zu stellen. Er hält sie für unschicklich und taktlos, es fehlt ihm der Mut, seiner inneren Stimme zu folgen und Mitgefühl zu zeigen. Parzival lässt den Verzweifelten damit in seinem Unglück allein. Erst als er bei der zweiten Begegnung die Frage stellt, die auf der Hand liegt, als er Anteil nimmt, sich der Not und Verzweiflung seines Gegenübers stellt, wird Amfortas geheilt (und Parzival Gralskönig).
    In der alten Legende wird thematisiert, was zu jeder Zeit gegolten hat und auch heute noch gilt: Zu spüren, dass sich jemand dafür interessiert, wie es einem geht, hat etwas Befreiendes, Tröstliches. Zu erleben, dass andere mitfühlen und überlegen, wie sie helfen, einen unterstützen können, ist ein Geschenk. Eines, das nichts kostet und doch so viel wertvoller ist, als alles, was wir mit Geld bezahlen können. Eines, das vielleicht etwas Zeit in Anspruch nimmt, einen Moment des Innehaltens und Mitfühlens. Aber das heißt auch, sich an Fragen heranzutrauen und Antworten zu ertragen, die einen auch mit der eigenen Sterblichkeit konfrontieren. Da machen viele lieber einen großen Bogen.
    Eine Freundin, die ihren Mann nach langer Krankheit verloren hatte, erzählte mir, wie in den Wochen danach Nachbarn und Bekannte, ja sogar Angehörige nach und nach auf Abstand gingen. Sie riefen seltener oder lange Zeit gar nicht mehr an. Wenn ihr auf der Straße Leute entgegenkamen, die früher für einen kurzen Plausch stehen geblieben waren, wechselten sie nun plötzlich die Straßenseite oder bogen unvermittelt ab. Sie hatten, so das Empfinden meiner Freundin, offensichtlich eine tiefe Scheu, ihr zu begegnen, wussten vielleicht nicht, was sie sagen sollten oder wie sie

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