Sterben in Rom
die ihn zu dem gemacht haben, was er jetzt ist.« Seine letzten Worte erstickten beinahe in ohnmächtigem Zorn und bitterer Trauer.
»Es war ein Fehler, ihn zu retten«, meinte Titiana nach einer Weile.
»Vielleicht war alles, was wir damals getan haben, falsch.«
»Das war es nicht!« Wieder sprach Tacitus mit selten gezeigter Härte, und sekundenlang verdrängte dunkle Glut den gewohnten weichen Ausdruck aus seinen Augen.
»Sind wir nicht fast am Ziel?« fragte er dann, wieder sanfter und mit dem Arm in die Runde weisend. Seine Geste schloß die ganze Stadt ein. »Es ist alles gekommen, wie wir es uns erträumt haben. Tinto, der verhaßte Bastard, ist tot, und wie wir es überall in der Welt beobachten konnten, so ist auch die hiesige Sippe nicht mehr. Rom kann endlich wieder unsere Heimat werden. Und uns allein ist es bestimmt, sich zu ihren Herrschern aufschwingen.«
Titiana lächelte verzerrt. Ein verirrter Lichtstrahl aus dem Nichts ließ dieses Lächeln in ihrem bleichen Antlitz blitzen und machte es zu etwas, das selbst Tacitus einen winzigen Moment lang erschreckte.
»Unsere Herrschaft könnte enden, noch ehe sie recht begonnen hat«, entgegnete sie, und wieder deutete sie zu Tremor hinüber.
»Wenn er durch sein unkontrolliertes Tun die Aufmerksamkeit auf uns lenkt, bevor wir im Hintergrund die entsprechenden Arrangements getroffen haben, könnte es uns nur allzu leicht an den Kragen gehen.«
»Aber -«
Titiana schnitt ihm das Wort ab. »Sieh dir Tremor an. Er ist der Beweis dafür, daß die Menschen uns gefährlich werden können, wenn sie es richtig anstellen. Und gerade Rom ist in dieser Hinsicht ein elend gefährliches Pflaster.«
Ihr Blick ging nur scheinbar ins Leere. Tacitus wußte, was in der Richtung lag, in die sie starrte, obgleich er die Kuppeln des Petersdoms nicht sehen konnte .
Tacitus senkte den Blick. Sie hatte ja recht. Er wußte es; vielleicht besser als jeder andere ihres Volkes - weil er es schon mit eigenen Augen hatte mitansehen müssen. Verstohlen lugte er zu Tremor hin, und beißender Schmerz fraß sich in seine Brust .
Titiana sah wieder hinab in die Gasse.
»Und nun begehst du die gleichen Fehler wie damals; jene Fehler, die uns letztlich die Heimat gekostet haben«, sagte sie.
»Sie werden unsere Spur nicht finden«, versicherte Tacitus eilfer-% »Es gibt einen Zeugen«, erinnerte er sie ihn. »Er könnte reden, und wenn seine Aussage die falschen Ohren erreicht .« Sie ließ den Rest des Satzes unausgesprochen.
»Niemand wird ihm glauben«, meinte er wenig überzeugt.
»Warum hast du ihn nicht getötet?« fuhr Titiana ihn an.
»Ich ...«, begann Tacitus, nach Worten ringend, »... ich wollte nur Tremor fortbringen. Ich dachte, ich könnte ihn noch rechtzeitig zurückhalten, aber es war schon zu spät. Er hatte das Mädchen bereits getötet.«
»Narr«, zischte Titiana, so abfällig, daß es Tacitus wehtat. »Wir müssen diesen Burschen zum Schweigen bringen, bevor er reden kann.«
Tacitus erhob sich rasch.
»Ich werde -«
»Nichts wirst du!« fuhr Titiana ihn an. »Ich übernehme das. Kümmere du dich nur um Tremor und sorge dafür, daß er unseren Plänen nicht ein weiteres Mal zuwiderhandelt.«
Noch einmal ließ Titiana den Blick in die Tiefe wandern. Dort entfernten sich gerade die beiden Ambulanzfahrzeuge. Im Schrittempo krochen sie durch das enge Gassenlabyrinth.
Was nun geschah, hatte Tacitus tausendmal und öfter gesehen. Und doch faszinierte es ihn jedes Mal aufs neue. So wie Titiana eben nichts von ihrer Faszination einbüßte - ganz gleich, was sie tat oder ihm an tat. Sie war für ihn sehr viel mehr als nur eine Artgenossin und Gefährtin - sie schien eine Hexe zu sein, deren Zauber er irgendwann rettungslos erlegen war und von deren Bann er sich nie mehr hatte befreien können. Und, wenn er es recht bedachte, hatte er es auch nie wirklich gewollt. Aber vielleicht war auch das nur Teil des Fluches .
Titiana verwandelte sich.
Dutzende von Dingen geschahen zugleich.
Ihre Arme veränderten in einer fließenden Bewegung ihre Form, Flughäute wuchsen knirschend daraus, gewaltig erst, dann rasch kleiner werdend.
Ihre Kleidung verschwand, und dies war der Moment, den Tacitus stets am meisten genoß - wenn er ihren herrlich Leib vollkommen nackt betrachten durfte. Denn obwohl er ihr unzählige Male hatte zu Willen sein dürfen, so hielt sie ihn in sexuellen Dingen doch eher kurz und holte sich anderswo Befriedigung, wenn ihr danach war. Das tat
Weitere Kostenlose Bücher