Sterben in Rom
würde sie ihn so ins Wanken gebracht haben, daß er fallen würde. Und dann wollte sie bereitstehen, um an Tintos Platz zu treten.
Zu diesem Zwecke also hatte sie sich meiner Hilfe versichert, und womöglich waren ihr auch andere Sippenangehörige verpflichtet, ich wußte es nicht. Sicher war ich mir jedoch, weshalb ihre Wahl auch auf mich gefallen war: Tremors wegen. Sie schien ihn als eine Art Geheimwaffe zu betrachten, die sie im Kampf gegen Tinto zum Einsatz bringen konnte.
Daß es sich tatsächlich so verhielt, verriet sie mir selbst in einer Nacht, nicht lange nach jener, da ich den Bluteid geleistet hatte. Wir befanden uns auf dem Weg zu Tremors Versteck, das wir im übrigen fast nächtlich wechselten, und Titiana sagte mir ganz offen, daß der Zeitpunkt, da sie Tinto stürzen wolle, schon nahe wäre.
Ich versuchte sie von ihrem Plan abzubringen, indem ich sie daran erinnerte, daß der Fortbestand unserer Rasse durch den lange zurückliegenden Verlust des Lilienkelches gefährdet sei.
»Wir sollten vielmehr den Stand unseres Volkes als ganzen festigen, anstatt die Macht von innen heraus zu untergraben«, meinte ich.
»Unsinn!« erwiderte sie schnippisch. »Gerade weil wir uns mit diesen Bedingungen arrangieren müssen, ist es notwendig, die alten Führungspositionen neu zu besetzen. Neue Ideen aus neuen Köp-fen, verstehst du?«
Ich schüttelte den Kopf und nickte dann doch.
»Ich verstehe wohl, was du meinst«, sagte ich. »Aber bedenke, daß du mit deiner Eigenmacht die gesamte Alte Rasse gegen dich aufbringen könntest. Du wärest deinem Ziel, neue Wege zu beschreiten, nicht nähergekommen. Statt dessen hättest du dich und jene, die dir vielleicht folgen würden, in eine Sackgasse manövriert. Eine Veränderung, wie sie dir vorschwebt, müßte aus einer kollektiven Bewegung heraus entstehen. Ein Umdenken wäre erforderlich .«
»Es muß ein Zeichen gesetzt werden!« beharrte Titiana. »Nur dann wird sich etwas bewegen.«
Die Stimme drang aus dem Dunkel der Katakomben zu uns heran, und sie stoppte uns beide zugleich, als bauten sich ihre Worte vor uns zu einer Mauer auf: »Höre auf deinen Freund. Er scheint mir eine Spur klüger als du.«
Zehn oder zwölf Schritte entfernt, gerade in einer Entfernung, die der nachtsichtige Blick unserer Rasse nicht mehr erhellte, schien die Dunkelheit zum Leben zu erwachen. Es sah aus, als würde sich die Finsternis dort bewegen und schließlich ballen, dann nahm sie Kontur an.
Die Kontur eines Mannes -
- einer Legende!
Titiana und ich hauchten den Namen wie aus einem Munde.
»Landru ...?«
*
Jeder unseres Volkes kannte ihn. Aber kaum jemand wußte etwas über ihn.
Landru gehörte keiner Sippe an, noch schien er es je getan zu haben. Seine Abstammung lag ebenso im dunkeln wie seine Vergangenheit.
Nur seine Macht war dem Vernehmen nach größer als die eines jeden anderen Vampirs. Da es dafür jedoch weder Zeugen noch sonst einen Beleg gab, mußte man wohl auch diesen Punkt den Geheimnissen zurechnen, die Landru umwoben.
Als sicher galt nur eines:
Er hatte sich der Suche und Jagd nach dem Lilienkelch verschrieben. Jenem Unheiligtum der Alten Rasse, das einst der Hüter von Sippe zu Sippe getragen hatte, um damit vampirischen Nachwuchs zu taufen, und das vor über 250 Jahren - mitsamt seines Verwalters - plötzlich verschwunden war. Niemand wußte, wohin und weshalb, ob der Kelch gestohlen oder zerstört worden war. Seither blieben den Sippen die Nachkommen verwehrt, die allein Hüter und Kelch hatten erschaffen können.
Landru folgte seit jener Zeit jedem Hinweis und jeder Spur, die auf den Verbleib des Lilienkelches hindeuten konnten. Bislang jedoch ohne Erfolg - zumindest hatte man nichts dergleichen erfahren.
Neben der Jagd nach dem Artefakt unserer Rasse hatte Landru sich aber noch einer anderen Aufgabe angenommen; ob sie ihm irgendwann übertragen worden war, oder ob er sie aus eigenem Antrieb erfüllte, wußte wohl niemand zu sagen. Ich für meinen Teil glaube letzteres und denke, daß Landru diese Rolle spielte, weil niemand sie ihm streitig zu machen wagte.
Wie auch immer - er erfüllte eine Art Wächterfunktion. Auf seinen Wegen, die ihn in alle Welt führten, achtete er darauf, daß die ehernen Gesetze der Alten Rasse - wie etwa der Kodex - nirgends gebrochen wurden. Übertrug man es auf die Denkweise der Menschen, so war Landru etwas wie Polizei und Richter in Personalunion.
Als Richter stand er nun auch uns gegenüber. Und vielleicht
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