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Sterbendes Land Utopia

Sterbendes Land Utopia

Titel: Sterbendes Land Utopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Bulmer
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selbstverständlich keine Gelegenheit gehabt, sich mit den Navigationsinstrumenten vertraut zu machen. Aber er hatte, seit er auf Kerim war, noch nie einen Kompaß gesehen. Er warf Jarfon von Trewes einen Blick zu. Der Minister sah das Instrument verblüfft und völlig verständnislos an. Dann wendete er seine Aufmerksamkeit wieder dem Kompaß zu. Vielleicht befand sich in der Nähe eine Eisenmasse, oder im Raum waren noch elektromagnetische Rückstände. Aber er war sich ziemlich sicher, daß die Nadel nicht in die Nord-Süd-Richtung deutete. Die Gesetze des Geomagnetismus ließen sich hier nicht anwenden. Die Nadel schwankte auf der Ost-West-Achse hin und her. Entweder war der Kompaß nicht mehr in Ordnung, oder …
    Er nahm ihn Krotch aus der Hand und ging nach draußen. Er schüttelte ihn. Dann sah er in Richtung des Zeigers. Ein Einschnitt wie ein Bergpaß, eine einsame Wolke. Langsam sagte er: »Ich glaube, Pe’Ichen will, daß wir der Richtung des Pfeils folgen.«
    Die Kavalkade brach ohne Gesänge und fröhliches Gelächter auf. Still schaukelten die Reiter dahin. Sie folgten dem Pfeil, doch sie glaubten Waley nicht. Da sie aber selbst keinen Ausweg wußten, ließen sie sich von Waleys Initiative leiten. Vielleicht beeindruckte sie auch seine Zuversicht. Nach Brianon konnten sie immer noch zurückkehren.
    »Laßt mich sehen!« befahl Prinzessin Kerith gebieterisch. Waley zeigte ihr das Instrument. Sie war ihm ganz nahe, und ihm wurde warm. »Ja«, murmelte sie. »Ja. Der Pfeil weist die Richtung zu einem großen Wunder.«
    Und so folgte der Pilgerzug dem Schicksalspfeil.
    Irgend jemand von den klugen, hochnäsigen Adeligen würde doch wohl in dem Pfeil ein Zeichen erkannt haben, überlegte Waley. Irgend jemand bestimmt. Wirklich?
    Er war in einer technischen Welt aufgewachsen und konnte seine Vergleiche ziehen. Das war den anderen nicht möglich. Sie ritten müde weiter, und allmählich wurde Jack Waley mit dem Gedanken fertig, daß vielleicht er allein der Welt die Entscheidung gebracht hatte. Die Weiterreise unterschied sich in nichts von den vorhergegangenen Mühen. Sie kamen an verwüsteten Städten vorbei. Hier und da trafen sie auf wahnsinnige Menschen, die sich in grausamen Angstriten selbst vernichteten. Hin und wieder sahen sie Raubtierherden auf freien Ebenen, die mit anderen Bestien rivalisierten. Es ging über Wasserläufe und Schluchten, über Berge und Wüsten. Sie kämpften sich weiter.
    Krotch summte das Lied von den Siebzig Da’angs vor sich hin, und es klang wie das Wimmern eines Herbststurms.
    Das Selbstmitleid des Gefährten ging Waley auf die Nerven.
    »Hör doch auf, Krotch!« fauchte er. Er saß zusammengesunken in seinem Sattel.
    »Mit wem redest du Lausebengel eigentlich, he?«
    Aber Krotch hob nicht einmal den Kopf, und in seinen Worten war keine Kraft.
    Das Lied von den Siebzig Da’angs hatte dreimal siebzig Strophen, und Krotch kannte sie alle.
    Waley litt schweigend. Er versuchte nicht hinzuhören, sondern zählte, um sich abzulenken, die Schritte seines Pferdes.
    Die Gruppe hielt an. Von militärischer Ordnung war nichts mehr zu spüren. Die Pferde scharrten mit den Hufen und kümmerten sich nicht um eine Linie. Krotch hob den Kopf. »Fang doch wieder zu winseln an«, sagte Waley. »Das steht dir so gut …«
    Irgend jemand kam näher, aber Krotch antwortete laut: »Du bist mein Kamerad, Jack, aber wenn du jetzt die Schnauze nicht hältst, kriegst du einen Tritt in den Hintern.«
    Larne von Rot-Jafare riß sein Pferd hart herum und blieb vor Krotch stehen. Sein graues Gesicht sah aus wie das einer Mumie. Sein Blick wirkte fiebrig.
    Er schlug Krotch den Peitschenstiel mit aller Wucht ins Gesicht.
    »Ich sagte dir schon einmal, daß ich solche schmutzigen Worte nicht vertrage«, kreischte er in einer hohen, weibischen Stimme.
    Krotch rührte sich nicht. Über sein Gesicht verlief von der Stirn bis zum Kinn ein roter Streifen.
    Waley ließ sich vom Pferd fallen.
    Während des Fallens schrie er wie überrascht auf, griff um sich und erwischte Larnes Stiefel. Er drehte sich herum. Larne wurde aus dem Sattel gerissen und kam unter ihn zu liegen. Blindlings schrie Waley um Hilfe. Er rief etwas von einem Angriff. »Helft mir! Ich kann nichts sehen!« Er trat Larne von Rot-Jafare mit dem Stiefel ins Gesicht. Er erhob sich schwankend. Er hielt die Hände vor das Gesicht und schrie, daß man ihn heimtückisch angegriffen habe. Seine Stiefel trampelten über Larnes feine Kleider.
    Krotch

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