Sterbendes Land Utopia
wurden mit einer Gruppe von Grenzern losgeschickt. Nicht ohne ein Zittern in den Knien folgte Waley seinen Kameraden. Und als sie von einem Hügel aus die Stadt sahen, fühlte er, wie sich sein Inneres verkrampfte.
»Wir müssen sehr vorsichtig sein«, murmelte Krotch.
Aber die Stadt lag verlassen in der hellen Sonne da.
Verbranntes Holz, rußgeschwärzte Ziegel, umgestürzte Säulen, zersplittertes Glas. Alles sah nach Raub und Plünderung aus. In Zweierreihen waren Pfähle aufgerichtet. Und der Anblick dieser Pfähle ließ auch die härtesten unter ihnen nicht gleichgültig. In Paaren hatte man die armen Bewohner zusammengetrieben und gemartert. Es war so sinnlos, so grausam, so unmenschlich. Vor allem aber sinnlos.
Krotch gab den Befehl durch, daß die Expedition die Stadt umgehen sollte.
Einige Tage später war es die Gruppe von Krotch, die auf eine neue Stadt stieß. Über die Klippen am Ufer erhoben sich freundliche Ziegelbauten, Glastürme und Marmorpaläste. Das Meer rauschte im Hintergrund. Waley begleitete Krotch nicht bei seinem Ritt in die Stadt, und er bearbeitete ihn mit Fragen, als er zurückkehrte.
Aber Krotch war schweigsam. Er sah grau und elend aus.
Waley erfuhr von verschiedenen anderen das bedauernswerte Geschick der Stadt. Seit zwanzig Jahren war kein Kind mehr geboren worden, und die wahnsinnigen Bewohner behaupteten, die Götter hätten sich von ihnen abgewandt. Um sie zu besänftigen, brachten sie ihnen Opfer – ein Opfer nach dem anderen. Männer und Frauen wurden paarweise geopfert. Die Späher hatten es erlebt.
Waley war erleichtert, daß er nicht dabei gewesen war.
In dieser Nacht wurde auf das Lager ein Angriff verübt. Gelbhäutige Männer mit dürren Gliedmaßen, plumpen kleinen Körpern und Idiotengesichtern griffen kreischend an. Es war ein sinnloser Angriff. Sie wollten nichts als zerstören. Waley kämpfte, während ihm das Entsetzen die Kehle zusammenschnürte. Flammen züngelten auf, Pfeile und Bolzen jagten durch die Menge. Die Männer von Brianon hatten ihre Prinzessin in die Mitte genommen und wehrten sich gegen die gelben Teufel.
Als sie endlich weiterziehen konnten, war ihre Gruppe kleiner geworden. Es war ein langer, düsterer Treck landeinwärts. Sie machten einen großen Bogen um die übrigen beiden Städte der Küste.
Wieder erhoben sich Berge vor ihnen. Schnee glitzerte in allen Farben des Spektrums von den Gipfeln. Es war eine willkommene Abwechslung nach der drückenden Hitze. Sie ritten bergan.
Und dann ritt eines Morgens Jarfon von Trewes an der kleinen Truppe entlang. Er hatte ein Stück Pergament auf dem Sattel liegen und suchte den Paß ab, der vor ihnen lag. Sein Pferd schnaubte und warf den Kopf herum. Es schien von der Erregung des Reiters angesteckt.
»Sieht so aus, als hätten wir unser Ziel erreicht.« Bei der Aussicht, daß die ermüdende Reise zu Ende gehen könnte, nahm Krotch seine frühere, draufgängerische Haltung an. Der Schritt der Pferde wurde schneller, und auch Waley hatte merkwürdige Gedanken. Es ging ihm nicht so sehr wie den anderen darum, Pe’Ichen das Geheimnis der Unfruchtbarkeit zu entreißen. Aber er wußte, daß er sich verändert hatte. Und er glaubte, daß er am Ende der Reise einen Grund dafür finden würde.
Ein Wasserfall rauschte über schwarze Felsen, die mit Algen und Flechten überwachsen waren. Ein feiner silbriger Nebel stand über der Schlucht, und der Donner des herabstürzenden Wassers wurde hundertfach wiedergegeben. Die Kavalkade hielt an.
Gezackte graue Wolkenburgen zogen über den Himmel.
An einem solchen Morgen mußte Adam aufgewacht sein und gemerkt haben, daß Eva neben ihm lag, in ihr weiches Haar gehüllt. Vielleicht fanden an diesem Morgen, an diesem Tag, die Menschen dieses fremden Planeten heraus, weshalb Eva unfruchtbar geworden war.
Auf einen Wink von Jarfon von Trewes stieg Krotch ab und führte eine kleine Gruppe die steilen Felsen neben dem Wasserfall hinauf. Er sprang von Felsblock zu Felsblock, von Vorsprung zu Vorsprung, mit einer Energie, die nach der langen Reise niemand mehr in ihm vermutet hätte.
An der Spitze hielten sie an. Inmitten von Ranken und Lianen, inmitten von Bäumen, deren Wurzeln das Gestein sprengten, stand verloren und halb verfallen ein dreieckiges Gebäude. Es hatte die Form einer Pyramide. Hoch über den Zacken stand es, hoch über dem Wasserfall, dem Silbernebel und dem Dröhnen des Wassers.
Und Waley erinnerte sich.
Er erinnerte sich an Drubal in der Tiefe
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