Sterbensschön: Thriller -
dieses geschmacklose Neonschild. Schließlich hatte es die Stadt vor einigen Jahren gekauft und den Schriftzug in PORTLAND OREGON abgewandelt. Hirsch und Umriss des Staates waren intakt geblieben, und so war sichergestellt, dass Rudolph die Kinder Portlands auch in kommenden Generationen besuchen würde.
Jetzt schwelte das Schild.
»Es gibt eine Leiche«, sagte Henry. »Und eine weitere Lilie.«
»Ich bin in einer Viertelstunde da«, sagte Archie. Er hob das Gesicht für einen Moment zur Sonne, ehe er sich umdrehte und in Richtung Dusche verschwand.
12
Susan Ward parkte ihren Saab auf einem Besucherparkplatz vor dem Oregon State Hospital. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie spürte die ersten Anzeichen von Kopfschmerzen. Die einstündige Fahrt nach Salem war brutal gewesen. Sie hatte gedacht, der Hitze entkommen zu können, indem sie frühmorgens fuhr. Pech gehabt. Ihre Klimaanlage war seit Jahren kaputt, und selbst mit zwei heruntergekurbelten vorderen Seitenfenstern hatte sie ihr T-Shirt durchgeschwitzt. Die Thermoskanne voll heißem Kaffee, die sie auf der Fahrt getrunken hatte, hatte die Sache wahrscheinlich nicht besser gemacht. Sie klappte das Sonnenvisier herunter und betrachtete sich im Schminkspiegel. Der Wind hatte ihrem Haar übel mitgespielt. Sie versuchte, mit den Fingern durch die verfilzte orangerote Matte zu kommen, und zuckte zusammen, wenn sie die verworrenen Knäuel auseinanderzog. Ihr Lippenstift war größtenteils an der Öffnung der Wasserflasche abgegangen, an der sie ständig nuckelte, um nicht auszutrocknen, deshalb wischte sie den Rest mit der Hand ab und trug einen orangenfarbenen Ton auf, der fast zu ihrem Haar passte. Dann legte sie Wimperntusche auf. Sie sah wieder in den Spiegel. Besser. Sie bemerkte ein winziges sprödes Haar zwischen ihren Augenbrauen, riss es zwischen Daumen und Zeigefinger aus und schnippte es aus dem Fenster.
Sie spähte zum Hauptgebäude hinüber. Das Krankenhaus war 1883 eröffnet worden und sah aus wie eine Irrenanstalt aus einem Horrorfilm. Einer flog über das Kuckucksnest war hier gedreht worden, womit so ziemlich alles gesagt war. Der Staat hatte ihm seither einen cremefarbenen Anstrich spendiert und einige der Gebäude renoviert. Bei den Umbauarbeiten war man über einen Lagerraum gestolpert, der voll kupferner Suppendosen zu sein schien. Wie sich herausstellte, waren es die eingeäscherten Überreste von mehr als fünftausend ehemaligen Patienten.
Das Krankenhaus hatte eine Menge publizistische Verrenkungen vollbracht, um aus diesem Schlamassel wieder rauszukommen.
Susan war froh, dass nur wenige Menschen auf den Gehwegen zwischen den Gebäuden auf dem Krankenhausgelände umherstreiften, und niemand schaute in ihre Richtung, deshalb schälte sie sich gleich hier im Wagen aus ihrem T-Shirt. Die Luft fühlte sich gut an auf ihrer schweißfeuchten Haut, und sie blieb eine Weile oben ohne bis auf ihren purpurnen BH vor der Klapsmühle sitzen. Erst dann warf sie das verschwitzte Shirt auf den Rücksitz und zog ein frisches an, das sie zum Wechseln mitgebracht hatte. Sie schmierte sich eine neue Schicht Deo unter die Achseln und überprüfte sich noch einmal im Spiegel.
Sie war jetzt bereit.
Sie stieg aus und ging schweren Schritts zum Haupteingang des Gebäudes. Als sie die Tür aufstieß, traf sie ein kalter Stoß klimatisierter Luft, und sie fröstelte. Sie betrat die Eingangshalle. Der Teppich war von einem beunruhigenden metallischen Blau. Die Wände waren unglaublich weiß. Alle Stuckverzierungen und anderen originalen baulichen Akzente schienen vor langer Zeit herausgerissen und übermalt worden zu sein. Vor ihr führte eine mächtige hölzerne Doppeltür in das Hauptkrankenhaus. Die Tür befand sich hinter einem Furcht einflößenden, L-förmigen Empfangstisch. Zwei Frauen saßen an ihm. Eine telefonierte, die andere blickte mit dem gelangweilten, zwanghaften Lächeln zu Susan auf, das bei sämtlichen Empfangspersonen im Gesundheitsbereich endemisch ist.
»Ich bin hier, um Gretchen Lowell zu sehen«, sagte Susan.
13
Archie hatte sich im Zuge seiner Arbeit an viele Dinge gewöhnt. Der Geruch verwesender Leichen störte ihn nicht mehr. Er konnte zuschauen, wie ein Gerichtsmediziner mittels Knochensäge ein Gehirn aus einem Leichnam entfernte, wie die Klinge in den Knochen schnitt und ein weißes Pulver aufstaubte, das wie Sägemehl aussah, aber pulverisierter Schädel war. Mit alldem konnte er umgehen. Aber er hatte sich nie an den
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