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Sterbenswort: Thriller (German Edition)

Sterbenswort: Thriller (German Edition)

Titel: Sterbenswort: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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verlieh ihr etwas Eulenhaftes. Ihr dunkelbraunes Haar war kurz und zur Seite gescheitelt. Sara schätzte sie auf Ende sechzig. Thora Lumina, leicht übergewichtig, ein Kleid mit Blümchenmuster tragend, lächelte ihr freundlich und einnehmend entgegen und reichte ihr die Hand.
    Noch in der Sekunde, in der die Tür geöffnet worden war, hatte Sara Zweifel gehegt. Bedenken, ob es der richtige Schritt war, sich mit einem Medium zu treffen, mit einer Person, die behauptete, sie könne mit Verstorbenen kommunizieren.
    Eine Sekunde später – beim Anblick der liebenswerten Frau – wusste Sara, dass sie Thora Lumina vertrauen konnte. Thora glich dem Prototyp einer gütigen älteren Patentante.
    »Sie müssen Sara sein.«
    Sara ergriff die Hand: »Ja, Frau …«
    »Nennen Sie mich einfach Thora.«
    »Gerne.«
    Thora machte Platz und ließ Sara ein. Sie führte die Besucherin in einen Wintergarten, den eine Vielzahl unterschiedlichster Pflanzen schmückte; Sara erkannte Yucca-Palmen, Ficus Benjamini und Schilfgräser.
    Sie hatte den Eindruck, dass die Strahlen der am höchsten Punkt ihrer Bahn stehenden Sonne geradewegs auf die kleine Sitzgruppe in der Mitte des Wintergartens wiesen: Ein Gartentisch und zwei Holzklappstühle. Auf dem Tisch eine Glaskanne mit grünem Tee und zwei Tassen. Es duftete intensiv nach Pfefferminz.
    Keine Glaskugel.
    Keine schweren, dunklen Vorhänge an den Wänden.
    Keine Räucherstäbchen, die einem die Sinne vernebeln sollten.
    »Setzen Sie sich. Möchten Sie einen Tee?«
    Thoras Stimme klang sanft und warm. Sara nickte.
    Die beiden Frauen setzten sich, und Thora schenkte ein.
    »Es geht um Ihren Mann«, stellte die ältere Dame fest.
    Sara erschrak. Am Telefon hatte sie Thora Lumina kein Sterbenswörtchen erzählt, warum sie sie um einen Termin bat.
    Dann folgte sie Thoras Blick und ertappte sich dabei, dass sie nervös an den beiden Eheringen drehte, die sie an ihrem Ringfinger trug. Den ihres Mannes hatte sie zu ihrem eigenen gesteckt, nachdem Michael verstorben war.
    »Ja. Er ist bei einem Autounfall …« Sie brachte den Satz nicht zu Ende.
    Thora trank, und Sara schloss sich – mehr aus Verlegenheit – ihrem Gegenüber an.
    »Es ist noch nicht lange her.«
    »Nein. Drei Wochen.«
    »Aber sie spüren ihn immer noch bei sich. Riechen den Duft seines Rasierwassers. Spüren seine Wärme in Ihrem Bett. Hören ihn, wie er die Wohnungstür öffnet.«
    Sara senkte den Blick. Sie spürte, wie die Tränen aus ihr herausdrängen wollten. Schon wieder. Sie hatte das Gefühl, dass sie seit Michaels Tod dauerweinte. Sie konnte kaum glauben, dass sich immer noch Flüssigkeit in ihrem Körper befand, so sehr hatte sie getrauert.
    »Das ist normal, Sara. Er ist immer noch präsent.«
    Sara unterdrückte die Tränen und sah auf.
    »Sie haben ein Kind?«, fragte Thora.
    »Elisabeth. Sie ist neun Monate alt.«
    »Zu jung, um zu begreifen. Und zu jung, um Ihren Schmerz zu teilen.«
    Sara wollte dies alles nicht. Zeit ihres Lebens hatte sie sich stark gefühlt. Stark genug, um die Welt aus den Angeln zu reißen. Und heute stand sie vor einem Abgrund.
    »Haben Sie Familie? Freunde?«
    »Familie nein. Ich bin in einem Heim aufgewachsen. Freunde ja. Sie stehen mir bei.«
    »Aber niemand begreift, wie es tatsächlich in Ihnen aussieht.«
    Thora legte die linke Hand auf ihre Brust, die rechte schob sie hinüber zu Sara.
    Mit einem Mal hatte Sara das Gefühl, dass es tatsächlich einen Menschen gab, der verstand, was in ihr vorging. Der den Verlust des Menschen spürte, den sie so sehr geliebt hatte. Der im ursprünglichsten Sinne des Wortes mit ihr mitfühlte.
    Sie legte ihre Hände auf den Gartentisch, und Thora legte ihre eigene Hand darauf.
    Ein unsichtbares Band spannte sich zwischen ihr und Thora. Sie vertraute ihr.
    Minutenlang schwiegen sie.
    »Es gibt Zeiten des Leids und Zeiten des Lebens«, begann Thora schließlich. »Sie, Sara, hatten eine schöne Zeit des Lebens mit Ihrem Mann.«
    Oh ja, dachte Sara.
    »Diese Zeit bleibt. Niemand kann sie Ihnen jemals wegnehmen. Die Zeit des Leids muss vorübergehen, und sie wird vorübergehen. Trauern Sie. Aber trauern Sie nicht allzu lange um das, was verlorenging, sondern freuen Sie sich wieder über das, was Sie Ihr Eigen nennen durften: das Glück.«
    Obwohl sich Sara der Floskelhaftigkeit der Worte durchaus bewusst war, halfen sie ihr. Sie verstand nicht, warum. Sie wollte auch gar nicht mehr wissen, warum.
    Thora schloss die Augen, konzentrierte

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