Sterbenswort: Thriller (German Edition)
sich.
»Ihr Mann hat Sie geliebt. Er möchte, dass Sie leben. Auch um seinetwillen.«
»Sie spüren ihn?«
»Er ist hier, hier bei Ihnen.«
»Und Sie können ihn verstehen?«
»Und er wird bei Ihnen bleiben. Ihr Leben lang.«
»Wie geht es ihm?«
»Doch Sie müssen nach vorne sehen. Für sich selbst und für Ihr Kind.«
Erneut zwang sich Sara dazu, nicht in Tränen auszubrechen.
»Sie sind jung, Sara. Sie denken heute an keinen Mann nach Michael. Aber wenn er irgendwann in Ihr Leben treten möchte, lassen Sie ihn ein. Auch für Michael. Er möchte, dass Sie glücklich sind.«
Thora öffnete wieder die Augen und sah sie an.
In diesem Moment wusste Sara, dass jetzt endlich der Zeitpunkt gekommen war, um mit dem Abschied zu beginnen.
Und sie hatte die Kraft dafür.
Sie würde das durchstehen.
Kein Weinen mehr. Sie hatte den Kampf gegen die Tränen für sich entschieden.
32
Heute
A nders als der Garten der Pfeiffers präsentierte sich der der Steins in Pankow äußerst gepflegt. Bunte Blumen verströmten intensiv ihre Düfte. Bienen und Hummeln schwirrten emsig zwischen den Blüten umher.
Die Beete ordentlich mit Steinen eingefasst, der kurze Weg zum Haus sauber gefegt und frei von Unkraut.
Als Kathrin ein Tagpfauenauge vorbeiflattern sah, musste sie unwillkürlich wieder an die DVD denken, die Heinrich erhalten hatte.
»Schade, dass Heinrich uns nicht begleiten konnte.«
Heinrich war für diesen Samstagabend von seinen Eltern eingeladen worden: ein Geschäftsessen; sein Vater wollte ihn unbedingt mit einem Staatssekretär aus dem Justizministerium bekannt machen, den er vor kurzem beim Golfspiel kennengelernt hatte.
Das Tagpfauenauge verschwand tänzelnd um die Hausecke. Kathrin ertappte sich dabei, dass der Schmetterling in ihren Gedanken geradewegs ins Netz einer Spinne flog.
Der Jägerzaun rund um den Vorgarten war erst kürzlich frisch gestrichen worden. Das helle Braun glänzte makellos in der Sonne.
Kathrin drückte die Klingel am Gartentor, und ein leises Ding-Dong hinter der Eingangstür des weiß getünchten Hauses überlagerte eine Sekunde lang das Summen der Insekten.
»Es kommt mir wie eine Zeitreise vor«, sagte Amelie.
»Was meinst du damit?«
»Na, ich war doch früher gelegentlich hier. Es sieht immer noch genauso aus. Die Türklingel ist auch noch dieselbe.«
Niemand öffnete.
Kathrin drückte erneut den Knopf am Gartentor.
»Seltsam«, kommentierte sie, dass immer noch niemand im Türrahmen erschien.
»Das Gartentor ließen sie immer unverschlossen«, sagte Amelie und drückte die Klinke. Prompt schwenkte das Tor nach hinten weg.
»Hat sich wohl trotz des Einbruchs nicht verändert.«
»Da ist ja noch nicht einmal ein Riegel dran.«
Sie gingen über den kurzen Gartenweg, und Kathrin klopfte vorsichtig mit dem Rücken des Zeigefingers an die eierschalenfarbene Haustür.
»Frau Stein? Sind Sie zu Hause?«
Als keine Reaktion erfolgte, ballte Kathrin die Hand zur Faust und hämmerte etwas intensiver.
»Das passt gar nicht zu Eriks Eltern«, meinte Amelie.
»Was?«
»Na, dass sie nicht daheim sind. Ich habe sie als sehr korrekt und zuverlässig in Erinnerung.«
»Vielleicht sind sie hinten. Da geht der Garten doch weiter, oder?«
Amelie nickte und schritt voran.
Kathrin folgte ihr um die Hausecke und stellte erleichtert fest, dass das Tagpfauenauge noch munter umherflatterte. Es flog über einen kurzgeschorenen englischen Rasen und dann weiter zu einem in voller Blüte stehenden Johannisbeerstrauch. Darin verschwand es.
Zwei Apfelbäume und ein Pflaumenbaum standen in der Wiese, an deren Rand sich ein paar Beete mit Nutzpflanzen anschlossen: Gurken, Tomaten, Beeren.
Von den Steins keine Spur.
»Hier geht’s zum Wohnzimmer.« Amelie deutete auf die Terrassentür.
Kathrin folgte ihr, und als sie versuchte, im Inneren des Hauses etwas zu erkennen, roch sie frischen Fensterkitt.
»Hier scheinen die Einbrecher eingestiegen zu sein.«
Amelie zeigte auf ein Kellerfenster neben der Terrasse.
»Ja, das Glas sieht aus, als hätte man es erst kürzlich eingesetzt.«
Mit dem Fingerknöchel pochte Kathrin an die Terrassentür.
»Hallo? Frau Stein? Wir sind’s. Amelie und Kathrin.«
Sie drückte dagegen, dann zog sie daran.
»Verschlossen«, stellte sie fest.
33
Heute
H err Stein? Es handelt sich um Ihren Sohn. Er befindet sich hier bei uns auf der Intensivstation. Es wäre gut, wenn Sie gleich in die Klinik kommen könnten.«
Norbert Stein verstand die Welt
Weitere Kostenlose Bücher