Sterbenswort: Thriller (German Edition)
Körper überzugreifen. Ihr Blick wanderte weiter zu Heinrich. Immer noch starrte er auf den Bildschirm, der inzwischen wieder einen einheitlichen Blauton zeigte.
»Das war vergangene Woche«, sagte er leise.
Kathrin verstand nicht.
»Was war vergangene Woche?«
»Nina und ich. Wir standen auf der Terrasse und prosteten uns zu.«
Kathrin erhob sich und trat ins Freie. Zunächst blickte sie auf die Blumen. Die Töpfe befanden sich exakt an der gleichen Position auf dem gekachelten Boden wie im Video. Auch ihr Blütenstand unterschied sich kaum von dem, den sie gerade eben gesehen hatte.
»Nina arbeitet als Model«, erklärte Heinrich hinter ihrem Rücken.
Sie ging zur Brüstung und stützte sich auf. Aufmerksam beobachtete sie das Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Heinrich und seine Frau waren von schräg unterhalb der Terrasse gefilmt worden. Dort, wo der Kameramann hatte stehen müssen, entdeckte sie ein Baugerüst.
»Ihr Agent hat ihr einen lukrativen Auftrag von einem Parfümhersteller an Land gezogen. Darauf haben wir angestoßen.«
Kein Zweifel, wenn man dort eine Kamera postierte, müsste man Heinrichs Terrasse genau im Fokus haben.
»Ist euch da drüben auf dem Gerüst etwas aufgefallen?«
»Nein, warum? Ach so, der Aufnahmewinkel.«
Heinrich erhob sich und gesellte sich zu ihr.
»Das steht schon mehrere Monate. Ich glaube, dem Hauseigentümer ist das Geld ausgegangen.«
»Wenn dort jemand gefilmt hätte, meinst du, ihr hättet ihn bemerkt?«
»Ich weiß es nicht.«
»Die Kameras sind heutzutage so klein. Es wäre genauso gut möglich, dass die Kamera mehrere Tage dort drüben befestigt war und permanent aufgezeichnet hat.«
»Oder eine Webcam.«
»Sollen wir rübergehen und raufklettern?«
»Ich glaube nicht, dass wir noch etwas finden würden.«
Sie gingen zurück ins Wohnzimmer.
Amelie hielt den Brief in der Hand, den Heinrich erhalten hatte.
Wortlos überreichte sie Kathrin das Schreiben.
Überrascht nahm Kathrin zur Kenntnis, dass sie den Lebenslauf von Nina Denk vor sich hatte.
»Was soll das?«
»Erik will mir zeigen, dass er weiß, mit wem ich zusammenlebe.«
Private Daten standen in dem Brief, ebenso Informationen zu ihrer Model-Ausbildung und Stationen ihrer bisherigen Karriere.
»Was will uns …«, Kathrin weigerte sich, seinen Namen auszusprechen, »der Absender mit all dem sagen?«
»Ist das nicht völlig klar?«
Kathrin glaubte, kleine Bläschen in Heinrichs Mundwinkel zu entdecken.
»Die Spinne? Der Schmetterling? Ninas Vita? Die E-Mails, die ich erhalten habe?«
Weder Kathrin noch Amelie antworteten ihm.
»Erik möchte sich meine Frau holen!«
Heinrich ließ sich in seinen Sessel plumpsen, versenkte sein Gesicht in seine Hände.
Amelie streckte ihm tröstend ihre Finger entgegen, verharrte jedoch wenige Millimeter von ihm entfernt, berührte ihn nicht.
»Wir müssen die Polizei einschalten!«, sagte sie dann.
»Nein!« Heinrich schreckte hoch. »Auf gar keinen Fall!«
»Aber zwei Menschen sind in Gefahr.«
Heinrich sah Amelie fragend an.
»Deine Frau und Kathrins Tochter.«
Beide blickten sie hilfesuchend zu Kathrin, die inzwischen ebenfalls wieder Platz genommen hatte. In ihren Augen Verzweiflung, ihre Gesichter bleich, ihre Hände zitternd.
Da begriff Kathrin.
Es lag an ihr, einen klaren Kopf zu behalten.
Sie durfte sich von der Panik keinesfalls anstecken lassen.
Sie musste die Führung übernehmen.
Genau wie damals …
»Du willst doch auch nicht, dass wir zur Polizei gehen, oder?«, flehte Heinrich.
Langsam schüttelte Kathrin den Kopf.
»Was sollten wir auch sagen? Dass wir glauben, jemand sei von den Toten auferstanden?«
»Wir könnten ihnen den Ring zeigen – und die DVD .«
»Nein«, sagte Heinrich scharf. »Sie würden wissen wollen, welche Bedeutung die Szenen mit Erik haben. Sie würden Fragen stellen. Zu damals. Das ist doch alles längst Geschichte.«
»Anscheinend nicht«, murmelte Amelie.
»Wir müssen nachdenken.« Kathrin versuchte, Ruhe in die Diskussion zu bringen.
»Mein Gott, Kathrin, es ist doch alles sonnenklar. Erik möchte sich an uns rächen.« Seine Stimme überschlug sich.
»Erik ist tot, Heinrich. Wir haben seine Leiche vor einen fahrenden Zug geworfen.«
»Was, wenn er noch nicht tot war?«, fragte Amelie leise.
»Wie?«
»Wenn er noch gelebt hat, als wir ihn über das Brückengeländer geschoben haben.«
»Aber ich habe selbst seinen Tod festgestellt.«
»Vielleicht hast du dich
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