Sterbenswort: Thriller (German Edition)
schon gewusst, als sie es das zweite und dritte Mal überprüft hatte.
Ärgerlich über sich selbst, schob sie die angelehnte Tür des Kinderzimmers auf und ging hinein. Das Bett war leer. Sie starrte darauf, dann legte sie sachte ihre Hand auf die Bettdecke. In Gedanken sah sie ihre Tochter Mia, wie sie ruhig atmete, die Augen geschlossen, ihre Puppe Charlie ganz nah an ihrem Körper. Doch weder Mia war hier noch Charlie oder das Buch von Pu, dem Bären: Mia verbrachte das Wochenende bei ihrer Großmutter.
Aus der Küche holte sie sich eine Flasche Rioja, ein Rotweinglas und einen Korkenzieher. Damit ging sie ins Wohnzimmer.
Der Gran Reserva vor einigen Tagen hatte ihr wirklich gutgetan. So hatte sie sich den Rioja heute Morgen gekauft, um ihn sicherheitshalber im Haus zu haben. Für den Fall, dass sie mal wieder ›Beruhigung‹ nötig haben sollte. Dass dieser Fall schon am gleichen Abend eintreten würde, hatte sie nicht erwartet.
Das darf keinesfalls zur Gewohnheit werden, dachte sie, während sie die Flasche entkorkte und sich den Wein einschenkte.
Sie nahm einen Schluck und betrachtete die Lippenstiftflecken, die sie am Glasrand hinterlassen hatte. Dann legte sie Eriks Ring neben das Weinglas.
Eine geschlagene Stunde hatten sie beim Haus der Steins gewartet, doch Eriks Eltern waren nicht aufgetaucht. Mit dem Handy hatten sie angerufen und auch das Klingeln hinter der Terrassentür gehört. Doch niemand war gekommen, um abzuheben. Ob die Steins ein Mobiltelefon hatten, war ihnen nicht bekannt.
Seltsam. Was konnte Eriks Eltern nur dazu getrieben haben, den Termin zu verbummeln? Schließlich ging es um nicht mehr und nicht weniger als ihren verstorbenen Sohn.
Kathrin verstand es nicht und leerte ihr Glas.
Letztendlich hatten sie aufgegeben. Kathrin hatte Amelie nach Hause gebracht.
Daheim in ihrer Wohnung hatte sie es noch einmal telefonisch bei den Steins versucht: ohne Erfolg.
Kathrin blickte aus dem Fenster. Inzwischen herrschte draußen Dunkelheit. Es schien ihr zu spät, um noch einmal bei Eriks Eltern anzurufen. Sie verschob es auf morgen.
Nachdem sich ihre Augen an die Schwärze gewöhnt hatten, erkannte sie den sanften Schimmer der Gaslaterne von der gegenüberliegenden Seite der Straße.
Sie fröstelte.
Der Mann im Trenchcoat.
Sie wollte nicht an ihn denken müssen.
Und auch nicht an die nächtliche Verfolgungsjagd.
Was, wenn er wieder dort stand?
Sie fürchtete sich.
Und sie ärgerte sich darüber, dass sie sich fürchtete. Und darüber, dass sie schon wieder Alkohol trank. Und auch darüber, dass sie sich ständig dabei ertappte, wie sie Wasser- und Gasregler kontrollierte; und Türen, ob sie verschlossen waren.
So konnte es nicht weitergehen.
Die Angst durfte nicht den Sieg davontragen.
Entschlossen stand sie auf. Dabei stieß sie an den Wohnzimmertisch. Ihr Weinglas wackelte. Mit einem kurzen Blick überzeugte sie sich davon, dass es nicht umfiel. Dann sah sie durchs Fenster.
Tatsächlich!
Er war wieder da! Starrte dreist zu ihr nach oben.
Erik?
Sie kniff die Augen zusammen. Zu dunkel, um die Gesichtszüge zu erkennen.
Der Mann zog seine rechte Hand aus seiner Manteltasche und hob sie hoch. Jetzt wackelte er frech mit dem Ringfinger. Dann zeigte er mit dem Zeigefinger vor sich auf den Boden. Direkt neben der Gaslaterne lag etwas Rundes auf dem Boden. Es glitzerte.
Kathrin wusste sofort, worum es sich dabei handelte.
Der Mann drehte sich um und ging ruhigen Schritts hinüber zu den Müllcontainern. Dort verschwand er.
Kathrin zog ihre Straßenschuhe an, verließ Wohnung und Haus und ging hinüber zur Laterne.
Sie griff sich die DVD und nahm sie mit nach oben.
35
Digital Versatile Disc
D as Wohnhaus des Ehepaars Stein in Pankow.
Die Front und der Vorgarten sind deutlich zu erkennen.
Lange Schatten.
In der unteren rechten Ecke des Bildschirms ist eine Uhrzeit eingeblendet: 17:56 Uhr. Kein Ton.
Kathrins Audi fährt vor dem Jägerzaun von links nach rechts durchs Bild. Kurz darauf nähert sie sich mit Amelie der Gartentür. Sie klingeln, warten, drücken dann die Klinke nach unten. Sie klopfen an der Tür, gehen danach ums Haus herum.
In schnellem Vorlauf wechselt die Uhrzeit, bis sie 18:03 Uhr erreicht.
Die beiden Frauen kehren auf die Vorderseite des Hauses zurück.
Erneut klopft Kathrin an die Tür, während Amelie auf ihre Armbanduhr blickt.
Sie sehen sich an, sprechen miteinander.
Amelie tritt unruhig auf der Stelle.
Wieder beschleunigt der
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