Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde
umdrehte und den Mann erblickte, der wenige Meter entfernt hinter der Absperrung stand.
»Koschny«, fauchte er. »Wenn man vom Teufel spricht.«
»Freut mich auch, Sie zu sehen, Herr Kommissar. Sie sind doch noch Kommissar, oder?«, fügte der Mann sarkastisch hinzu.
»Was wollen Sie, Koschny? Hier ist nichts passiert, was die Leser Ihres Klatschblattes interessieren könnte.«
Koschny grinste selbstgefällig, wodurch sich das Grübchen an seinem Kinn etwas glättete. »Also, ich denke nicht, dass eine solche Umschreibung für den Rhein-Mosel-Kurier angemessen ist.«
»Hm, dann haben Sie es also doch geschafft, aus Ihren Verleumdungen von damals Kapital zu schlagen. Was streben Sie denn diesmal an, den Posten des Chefredakteurs?«
»Ich bin bloß hier, um meine Arbeit zu machen.«
»Tja«, erwiderte Sven abfällig, »dann müssen Sie wohl noch ein bisschen warten, denn ich bin hier mit meiner Arbeit noch nicht fertig.« Demonstrativ kehrte er dem Reporter den Rücken zu.
»Ich hoffe, Sie übersehen in Ihrer Selbstgefälligkeit nicht, dass es sich hier um einen Mord handelt«, sagte Koschny.
Sven stutzte einen Moment und sah Dennis fragend an, der jedoch abwehrend den Kopf schüttelte.
»Der Tote heißt Erik Jensen, nicht wahr?« Koschny hob das rot-weiße Kunststoffband an und trat hinter die Absperrung. »Er war neunzehn Jahre alt und einschlägig vorbestraft.« Kurz vor Sven blieb er stehen. »Und er war nicht gerade der Traum jeder Schwiegermutter.«
»Na schön«, fauchte Sven erbost, »mit wem haben Sie gesprochen?«
»Mit niemandem«, beteuerte Koschny. »Ich habe selbst recherchiert.«
»Und was hat Sie dazu veranlasst?«
Koschny betrachtete die zugedeckte Leiche. »Jensen hat mich vor etwa zwei Wochen in der Redaktion angerufen. Er klang ziemlich aufgeregt und hat behauptet, er hätte Informationen für mich.«
»Informationen?«, fragte Dennis. »Was für Informationen?«
»Damit wollte er nicht herausrücken. Er meinte, er könne mir im Moment noch nicht mehr sagen und ich müsse mich noch ein paar Tage gedulden.«
»Hat er Ihnen auch einen Grund dafür genannt?«
»Nein. Er hat nur gesagt, es wäre die Story meines Lebens.«
»Und da haben Sie natürlich gleich angebissen«, brummte Sven verächtlich.
»Nein«, erwiderte Koschny gelassen. »Eigentlich habe ich das Ganze für ziemlichen Blödsinn gehalten.«
»Und warum haben Sie dann Nachforschungen angestellt?«, wollte Dennis wissen.
»Weil ich gerne weiß, wer mich an der Nase herumführen will.« Wieder betrachtete Koschny den Leichnam. »Aber so, wie es aussieht, war an der Sache wohl tatsächlich etwas dran.«
Sven winkte ab. »Hör nicht auf diesen Wichtigtuer.«
»Nein, warte mal«, beharrte Dennis. »Sie glauben also, Jensen wurde ermordet, weil er Informationen an Sie weitergeben wollte?«
»Oder weil er auf etwas gestoßen ist, das nicht für ihn bestimmt war.«
»Ja, und das Ihnen die Story Ihres Lebens beschert, nicht wahr? Nur darum geht es Ihnen doch.«
»Wenn Sie meinen. Ich wollte nur helfen.«
»O bitte, tun Sie nicht so gönnerhaft«, sagte Sven. »Ich weiß genauso gut wie Sie, was Ihre wahren Motive sind.«
Koschny trat einen Schritt auf ihn zu. »Tja, dann wissen Sie ja sicher auch, dass Jensen in demselben Pflegeheim gearbeitet hat wie Ihre Frau.« Mit gespielter Bestürzung hielt er sich die Hand vor den Mund. »Uups«, hauchte er und sah Sven unverwandt in die Augen. »Oder sollte ich lieber sagen: Ihre zukünftige Ex frau?«
Sven wollte auf ihn losgehen, doch Dennis gelang es in letzter Sekunde, ihn zurückzuhalten.
»Schwingen Sie Ihren Arsch sofort hinter die Absperrung, Koschny«, zischte Sven, »oder ich lasse Sie auf der Stelle verhaften.«
»Tja, wie’s aussieht, sind Sie immer noch ziemlich voreilig, was Verhaftungen betrifft. Aber keine Bange«, meinte Koschny, »ich sehe keinen Grund, noch länger hierzubleiben. Denn anscheinend weiß ich ohnehin mal wieder mehr als Sie, Herr Kommissar.«
Dennis hatte alle Hände voll zu tun, Sven im Zaum zu halten, während Koschny hinter die Absperrung trat und zwischen den Schaulustigen verschwand.
»Jetzt reg dich ab«, sagte Dennis. »Er ist weg.«
»Lass mich«, schnappte Sven und riss sich los.
»Hey, es gibt keinen Grund, auf mich sauer zu sein«, verteidigte sich Dennis.
»Ach nein? Ist dir vielleicht irgendwie entfallen, mir zu sagen, dass der Tote in dem Pflegeheim gearbeitet hat?«
»Nein«, entgegnete Dennis gereizt. »Das wusste ich
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