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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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überdurchschnittlich fantasiebegabt sein, um zu kapieren, dass es in der nächsten Zeit noch sehr viel mehr heat für euch geben wird. Mahmoud Marhoni wird nämlich demnächst aus der Untersuchungshaft entlassen. Das hat Bjarne Brogeland mir vor nicht allzu langer Zeit gesteckt. Und wissen Sie, was er mir noch erzählt hat?«
    Henning erwartet keine Antwort.
    »Er hat gesagt, dass Mahmoud auf Beweisen sitzt, die euch alles kaputt machen können. Ist es in so einer Situation wirklich klug, auch noch einen Journalisten umzubringen? Selbst wenn er Zeuge eines Mordes ist, den ihr ausgeführt habt?«
    »Ein Mord mehr oder weniger spielt keine Rolle«, sagt Hassan barsch. »Außerdem: Niemand wird Sie finden.«
    »Schon möglich. Aber glauben Sie nicht, dass es deswegen für Sie leichter wird, da täuschen Sie sich gewaltig. Es ist eine Sache, wenn ihr Drogenhändler euch gegenseitig umbringt. Ich denke, damit haben die meisten Leute kein Problem. Aber einen Journalisten zu ermorden – das ist etwas ganz anderes. Nicht, dass wir Journalisten sonderlich beliebt wären, weit gefehlt, aber in ihrem tiefsten Innern – auch wenn viele Leute behaupten, dass sie Journalisten hassen – sind die meisten froh, dass es uns gibt. Wird ein Journalist ermordet oder verschwindet er auch nur von der Bildfläche, bricht die Hölle los, das garantiere ich euch. Die Polizei weiß, dass ihr mich im Visier habt, und wenn ihr glaubt, jetzt schon in der Scheiße zu stecken, dann wartet erst einmal ab, was morgen los sein wird, wenn die Ersten anfangen, mich zu vermissen. Brogeland hat mir euretwegen Personenschutz angeboten, aber ich habe abgelehnt. Und wissen Sie, warum? Weil ich nicht vorhabe, mich für den Rest meines Lebens zu vergraben oder hinter einer Schutzmauer zu verstecken und weil ich nicht glaube, dass ihr so dumm seid, euch noch tiefer in die Scheiße zu reiten, indem ihr mich aus dem Weg räumt. Aber wenn Sie mich töten wollen, Hassan, dann tun Sie es gleich. Auf der Stelle. Im Grunde genommen erweisen Sie mir damit einen großen Dienst.«
    Seine Stimme klingt dumpf. Es trommelt von innen gegen seine Rippen. Er sieht Hassan an, der ihn weiter umkreist. Seine Sohlen klatschen leise und rhythmisch auf den nassen Betonboden. Der Rest der Gang folgt dem Chef mit ihren Blicken.
    »Woher stammen die Narben?«, fragt Hassan nach einer Weile.
    Henning seufzt. Wahrscheinlich ergibt es Sinn, dass Jonas hier mit reingezogen wird, denkt er. Mein lieber, lieber Junge. Er denkt an den Sprung durch die Flammen, daran, wie er versucht hat, das Gesicht mit den Händen und Armen zu schützen. Trotzdem haben die Haare Feuer gefangen, sind abgebrannt und geschmolzen. Er sieht Jonas’ Augen vor sich, als er versuchte, beim Löschen der Flammen zu helfen, bevor es zu spät war.
    Und er erinnert sich, wie sie draußen auf dem Balkon gestanden haben, mit den gierig aus dem Wohnzimmer leckenden Flammen im Rücken. Jonas hat ihn auf der Suche nach Hilfe und Sicherheit angesehen. Nie wird er die Worte vergessen, die er gesagt hat: Alles wird gut, hab keine Angst, ich passe auf dich auf . Nie wird er vergessen, wie er auf das Geländer gestiegen ist, seinen Sohn hochgehoben hat, wie er ihm in die Augen gesehen und gesagt hat, dass sie nur einen kleinen Sprung machen müssen, um auf die sichere Erde zu kommen. Wenn es nur nicht so kalt gewesen wäre, es hatte mehrere Tage am Stück geregnet, und das Geländer war glatt, das hatte er bemerkt, als er seinen Fuß darauf gestellt hatte. Er dachte, dass es keine Rolle spielte, was mit ihm passierte, Hauptsache, ich rette Jonas. Ich muss zuerst landen, dann kann ich Jonas’ Fall abfangen. Er kann mich treffen, wo er will, völlig egal. Hauptsache, er überlebt. Aber Jonas hat sich gewehrt, hat geweint, sich nicht getraut. Henning musste ihn zwingen, streng werden, sagen, dass sie springen mussten , wenn sie nicht beide sterben wollten, und er hatte ihm versprochen, am nächsten Wochenende mit ihm angeln zu gehen, nur sie zwei, wenn sie jetzt sprangen. Am Ende hatte Jonas tapfer genickt und mit Tränen in den Augen allen Mut zusammengenommen. Der starke kleine Kerl. Wenn nur sein Gesicht nicht so fürchterlich gebrannt hätte, er konnte kaum etwas erkennen, aber er musste es schaffen, musste vorgehen und das Einzige tun, was er tun konnte. Seinen Sohn retten. Er kletterte also auf das Geländer, ganz hoch, griff nach Jonas’ zitternden Händen, zog ihn zu sich hoch, sagte noch einmal die Worte, diese

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