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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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etwas für die Allgemeinheit zu tun. Er nutzt dich aus, Bjarne. Ich denke, dass das, was mit ihm geschehen ist, so tragisch es auch sein mag, nicht ohne Folgen für seine Psyche geblieben ist. Es würde mich nicht wundern, wenn Henning Juul dadurch noch zynischer und manipulativer geworden wäre.«
    Brogeland weiß nicht, was er antworten soll, und schweigt weiter.
    »Hast du damit schon was gemacht?«, fragt Gjerstad und zeigt auf das Skript.
    »Ich habe versucht, Anette Skoppum ausfindig zu machen, bisher aber ohne Erfolg. Sie geht nicht ans Telefon, und sie ist auch nicht in ihrer Wohnung. Ich habe Emil geschickt, um mit ihr zu reden, und nachdem er niemanden angetroffen hat, habe ich Leute vor ihrer Wohnung postiert.«
    »Wo wohnt sie?«
    »In Bislett.«
    »Okay.«
    »Vor ein paar Stunden hat sie an einem Bankautomaten in der Akersgata fünftausend Kronen abgehoben.«
    »Fünftausend? Das ist nicht wenig. Dann lebt sie auf jeden Fall noch.«
    »Vermutlich. Das kann aber auch darauf hindeuten, dass sie in den nächsten Tagen kein Geld mehr abheben wird. Ich habe Emil dann weiter zu ihrer Schule geschickt, um dort nach ihr zu suchen und mit ihren Freunden zu reden, aber bis jetzt habe ich noch keine Rückmeldung von ihm bekommen.«
    Gjerstad nickt und wartet auf mehr, aber Brogeland ist fertig. Er fühlt sich auch so: fertig und leer. Doch gut, dass Sandland nicht dabei ist.
    Ist Henning Juul wirklich so zynisch, einen Täter frei herumlaufen zu lassen, nur um eine gute Story zu haben? Vermutlich. Aber würde er so etwas auch auf seine Kosten tun? Sie kennen sich doch. Auf jeden Fall ein bisschen.
    Brogeland sieht zu Gjerstad hinüber, der wieder hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hat und Akten durchzublättern beginnt, die vor ihm liegen. Wenn es etwas gibt, das Brogeland im Laufe der siebzehn Monate gelernt hat, die er jetzt mit Gjerstad zusammenarbeitet, dann, dass die Meinung seines Chefs, wenn er sich erst einmal eine gebildet hat, kaum mehr zu ändern ist. Vielleicht ist er deshalb ein so guter Polizist, denkt Brogeland. Andererseits kann das aber auch der Grund dafür sein, dass er niemals ein fantastischer werden wird.
    Brogeland steht auf und wartet einen Moment, aber Gjerstad sagt nichts mehr. Dann geht er hinaus und schließt die Tür hinter sich.

51
    Jonas’ brennende Augen reißen ihn aus dem Schlaf. Er flucht, setzt sich auf und findet sich auf dem Sofa vor dem Fernseher wieder. Offensichtlich ist er mitten in einer TV-Show eingeschlafen.
    Der Fernseher läuft. Der Bildschirm wird von einem Mann mit blonden Haaren ausgefüllt, der Käse isst, während hinter ihm eine Unzahl der unterschiedlichsten Frauen und ein Mann die Plätze tauschen. Henning lehnt sich zurück und denkt an eine Schaumwelle. Weiteratmen, befiehlt er sich. Atme weiter!
    Er muss an Findet Nemo denken, an Nemos Vater Malin, der auf der Suche nach seinem Sohn Dori trifft, die sich kaum an ihren eigenen Namen erinnern kann, aber so gerne singt. Henning hört ihren Singsang in seinem Kopf: Einfach schwimmen, einfach schwimmen …
    Sie haben Nemo mindestens dreißigmal zusammen angeschaut, besonders in dem Sommer, in dem sie auf einer kleinen, idyllischen dänischen Insel namens Tunø Ferien gemacht haben. Es hat die ganze Zeit geregnet, sodass sie das hübsche kleine Häuschen, das sie auf der autofreien Insel gemietet hatten, kaum verlassen konnten. Jonas hat Nemo geliebt. Wie die Ferien wohl ohne Nemo geworden wären?
    Das Handy auf dem Wohnzimmertisch vibriert. Henning zuckt zusammen. Auf dem Display erscheint eine unbekannte Nummer.
    »Henning Juul«, meldet er sich und räuspert sich.
    »Hallo, Truls Leirvåg hier. Sie wollten mich sprechen?«
    Die Stimme ist tief und rau. Henning setzt sich auf, während seine Dialektantennen Truls irgendwo in der Gegend um Bergen platzieren. Vielleicht sogar in Bergen.
    »Ach, hallo. Danke, dass Sie sich melden.«
    Keine Reaktion.
    »Ähm, also, ich würde gerne mit Ihnen über ein Skript reden, für das Sie eine Option erstanden haben. Henriette Hagerups Drehbuch.«
    Wieder Stille.
    »Können Sie mir etwas über das Drehbuch erzählen? Zum Beispiel, wieso Sie entschieden haben, eine Option darauf zu erwerben?«
    »Tja, es ist wohl genau wie mit den anderen Optionen, die wir kaufen. Das Drehbuch ist gut. Wir glauben, dass daraus ein ansprechender Film werden kann.«
    »Worum geht es in dem Drehbuch?«
    »Es heißt Control+Alt+Delete . Es geht um eine junge Frau, die Erfolg hat und

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