Sterblich
verdammt interessanten Sache dran«, sagt er etwas freundlicher und erzählt von seinem Treffen mit Yngve Foldvik und Tore Benjaminsen. Dann weiht er sie ein, dass die Polizei Mahmoud Marhoni aller Voraussicht nach in nächster Zukunft aus der Haft entlassen wird, um den Fokus auf die anderen Personen in Henriette Hagerups näherem Umfeld zu verschieben. Er sagt nichts über seine Quellen, und Heidi nickt, ohne weiter darauf einzugehen.
»Hört sich wirklich interessant an«, sagt sie. »Sind wir allein an der Sache dran?«
»Ja.«
»Das ist gut.«
Die Schärfe ist aus ihrer Stimme gewichen. Vielleicht habe ich sie kleingekriegt, denkt Henning. Den Kampf gewonnen. Oder sie ist wie Anette Skoppum, die sich unentwegt abrackert, es immer wieder versucht und zu Tode betrübt ist, wenn sie keinen Erfolg hat.
Zehn Minuten später geht Heidi nach Hause. Dieses Mal verabschiedet sie sich sogar von ihm. Er wünscht ihr einen schönen Abend und konzentriert sich dann wieder auf die drei Sachen, die er überprüfen will. Er beginnt mit Freie Film-Fabrik.
Pfiffiger Name, wenn man Alliterationen und Wortspiele mag. Er schätzt, dass die Firma von jemandem gegründet worden ist, der all die Fehler leid war, die man ständig in Filmen findet, und der sich auf die Fahnen geschrieben hat, solche Fehler niemals selbst zu begehen. Er freut sich auf die Zeitungsschlagzeilen, wenn die Freie Film-Fabrik zum ersten Mal gepatzt hat, was irgendwann passieren muss.
Er sammelt alle Informationen, die ihm das Internet bietet. Die Firma hat ein paar Filme produziert, von denen er keinen gesehen hat und auch nicht sehen wird. Auf ihrer Homepage prangt eine Collage von Bildern aus verschiedenen Hollywoodproduktionen unter drei blutroten Fs. Sogleich erkennt er Bilder aus Gladiator, Ocean’s Eleven, Fluch der Karibik, Spider-Man, Titanic, Herr der Ringe und Jurassic Park . Es gibt noch mehr Bilder, aber die anderen kann er nicht gleich zuordnen. Der Schriftzug: Make visible what, without you, might perhaps never have been seen zieht sich in kleiner Schrift über die Seite, gefolgt von Robert Bressons Namen in Klammern.
Er klickt die Seite an und findet schnell den Kontaktlink. Die Freie Film-Fabrik hat zwei Produzenten und einen Regisseur im Stab. Er wählt die oberste Nummer, weil ihm der Name gefällt: Henning Enoksen.
Es klingelt lang, bis jemand abnimmt.
»Ja, Enok hier.«
Die Stimme klingt dunkel und tief, aber entgegenkommend.
»Guten Tag, mein Name ist Henning Juul.«
»Hallo, Henning«, antwortet Enok und gibt Henning das Gefühl, als würden sie sich schon eine Ewigkeit kennen.
»Ich arbeite bei der Internetzeitung 123nyheter und berichte über den Fall Henriette Hagerup.«
Es wird für einen Moment still.
»Ja? Und womit kann ich Ihnen da dienen?«
Henning erklärt rasch sein Anliegen, sagt, dass er neugierig auf das Drehbuch ist, das Henriette Hagerup geschrieben und auf das die Freie Film-Fabrik sich eine Option gesichert hat.
»Hagerup, ja«, sagt Enok und seufzt. »Eine traurige Sache.«
»Ja«, erwidert Henning und wartet darauf, dass Enok weiterspricht, was er allerdings nicht tut. Henning räuspert sich.
»Können Sie mir etwas über das Skript sagen?«
»Wollen Sie darüber schreiben?«
»Nein, vermutlich nicht.«
»Warum wollen Sie dann etwas darüber wissen? Haben Sie nicht gesagt, Sie seien Journalist?«
Enoks deduktive Fähigkeiten sind beeindruckend.
»Ich habe irgendwie das Gefühl, dass dieses Drehbuch wichtig sein könnte.«
»Warum?«
Enok muss in der Grundschule eine Qual für seine Lehrer gewesen sein, denkt Henning.
»Um herauszufinden, was geschehen ist und wer sie getötet hat.«
»Ah ja.«
»Können Sie mir wenigstens zwei Worte über dieses Skript sagen? Immerhin haben Sie es offensichtlich für so gut gehalten, dass Sie eine Option darauf erstanden haben.«
Im Hintergrund hört er Finger über eine Tastatur huschen.
»Tja, eigentlich ist das Ganze über meinen Kollegen Truls gelaufen.«
»Dann haben Sie das Skript selbst gar nicht gelesen?«
»Doch, doch, natürlich.«
»Worum geht es darin?«
Wieder ist das Klappern von Tasten zu hören.
»Es geht um …«
Er hält inne und räuspert sich.
»Es geht um, äh, also eigentlich weiß ich gar nicht richtig, worum es in diesem Skript geht. Wie gesagt, Truls hat seinerzeit mit Henriette und Yngve …«
»Yngve?«
»Ja …«
»Yngve Foldvik?«
»Stimmt, kennen Sie ihn?«
»Yngve Foldvik hatte mit diesem Skript zu tun?«
»Er
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