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Stern der Göttin

Stern der Göttin

Titel: Stern der Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Melli
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Religionen wurden die Tempel von Edessin Dareh als oberste Instanz gegründet und von jedem Gott und von jedem Dämon ein Evari als Wächter über seine jeweilige Farbe bestimmt. Wer ist der Evari des weißen Gottes Meandir?« Khaton wies auf einen weiteren Schüler.
    Dieser wollte sich vor seinen Schulkameraden aufspielen und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, Herr Professor!«
    »Das gibt zwanzig Punkte Abzug für die folgende Klausur.«
    Der Bursche erbleichte, doch Khatons Mitleid hielt sich in Grenzen. Wer ihm mit Frechheit kam, musste die Folgen tragen.
    Eines der Mädchen nannte schließlich den Namen. »Khaton!«
    »Wie heißt das?«, wies Khaton sie zurecht.
    »Der Name des Evari unseres herrlichen weißen Gottes Meandir lautet Khaton, Herr Professor Valgrehn!«
    Da die Schüler in ihrer Heimat gelernt hatten, dass Khaton nur ein Popanz war, den niemand ernst nehmen sollte, klang erneut Kichern und unterdrücktes Gelächter auf. Beides erstarb jedoch rasch, als Khaton jeder Schülerin und jedem Schüler ein Blatt Papier gab und die Sanduhr auf seinem Pult umdrehte.
    »Ihr habt Zeit, bis der Sand durchgelaufen ist, und nun fangt an!«
    Während die Schüler sich über ihre Blätter beugten und schrieben, hing Khaton seinen eigenen Gedanken nach. Wohl hatten sich Meandir, Talien und Tenelin sowie Ilyna, Linirias und Giringar samt ihren Heeren vom Großen Strom zurückgezogen. Doch den Menschen, die nun in dem Streifen zwischen den Götterländern lebten, lag wenig an einem gedeihlichen Miteinander und noch weniger an einer Aussöhnung mit der einst feindlichen Seite.
    Khatons Aufgabe als Wächter des weißen Gottes Meandir war es zu verhindern, dass der fragile Frieden gebrochen wurde. Doch er stand alleine da. Keiner von jenen, auf die es ankam, war bereit, ihn zu unterstützen oder auch nur seine Autorität anzuerkennen. Zwar hatte er ein paar Helfer, doch das waren nur Zuträger, die ihn zumeist nur lückenhaft über Geschehnisse informierten, die sich in den Reichen der weißen Stammtafel und bei deren Nachbarn abspielten. Meist kam das, was er erfuhr, viel zu spät, und auch jene Nachrichten, die ihn schnell erreichten, waren kaum geeignet, ihn hoffnungsvoll in die Zukunft schauen zu lassen.
    Während sein Blick weiter über seine Schüler schweifte, verdüsterte sich seine Miene. Die jungen Leute, vor denen er stand, kümmerte es nicht, mit welchen Problemen ihre Welt zu kämpfen hatte. Zwar studierten sie Rechtswissenschaft und Verwaltungskunde, aber nicht, um in ihren Heimatländern zum Wohl der Völker zu arbeiten, sondern um jeden Vorteil zu ihren Gunsten oder zu denen ihrer Herrscher gegen Nachbarn und Konkurrenten zu nutzen. Das schloss auch erpresserische Forderungen und Krieg gegen die Nachbarreiche mit ein. Am liebsten hätte Khaton jeden Einzelnen von ihnen durchgeschüttelt und ihnen erklärt, was er von dieser Einstellung hielt.
    In dem Augenblick hob das Adelsdämchen mit den Heilerfähigkeiten die Hand. »Ich bin fertig, Professor Valgrehn.«
    Tief in seine Gedanken versunken, zuckte Khaton zusammen. Hier in Thelan kannte man ihn nur unter dem Namen Valgrehn. Das war eine hervorragende Tarnung, doch er fragte sich, was seine Schüler dazu sagen würden, wenn er ihnen seine wahre Identität offenbarte.
    Wahrscheinlich würden sie vor Angst zittern, ihn aber auch hassen. Dabei war er der Evari des hohen Herrn Meandir und damit einer der drei mächtigsten Magier auf der westlichen Seite des Toisserech. Obwohl der Gott ihn zum Wächter über die weißen Reiche ernannt hatte, musste er ständig erleben, wie die Fürsten und Könige seine Befehle missachteten. Sie betrachteten ihn nur als Popanz, der ihnen mit irgendwelchen lästigen Vorschriften in den Ohren lag.
    Das Räuspern der jungen Adeligen erinnerte Khaton daran, dass er noch nicht auf ihre Meldung reagiert hatte. Langsam stand er auf. »Meine Damen und Herren, es wird an der Zeit, die Aufgaben abzugeben. Wer nicht umgehend die Feder ruhen lässt, erhält zehn Punkte abgezogen!«
    Sofort legten die Schüler ihre Schreibfedern beiseite, und Khaton wünschte sich, die Herrscher und Herrscherinnen der weißen Reiche würden ihm ebenso gehorchen wie die jungen Leute hier. Doch diese Hoffnung würde sich wohl niemals erfüllen. Mit einem Groll im Herzen, der ihn selbst verwunderte, sammelte er die Blätter ein und legte sie auf sein Pult.
    »Dies war die letzte Stunde für heute. Ihr könnt jetzt auf eure Zimmer gehen und dort

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