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Stern der Göttin

Stern der Göttin

Titel: Stern der Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Melli
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die Falltür zum Turm und sah zu, wie sich das Tablett und das Bündel mit den Aufgaben in die Luft erhoben und den Weg nach unten antraten. Er folgte ihnen und stand kurz darauf in einem sechseckigen Raum, der beinahe so groß war wie Frau Ketahs Haus. Bücherregale bedeckten jede Handbreit der Wände, und weitere Regale standen so weit wie möglich in den Raum hinein. Ansonsten gab es nur noch einen kleinen Schrank, einen Tisch und einen bequemen Sessel.
    Khaton trat an das Schränkchen und klopfte mit der Fußspitze dagegen. »Komm heraus!«
    Die Tür sprang auf, ein spinnenartiges Geschöpf aus weiß schimmerndem Kristall kam zum Vorschein und verbeugte sich wippend vor Khaton. »Ihr befehlt, Herr?«
    »Sieh die Aufgaben durch und benote sie. Es wird eh nur unverständliches Geschmiere sein.« Khaton wies dabei auf den Papierstapel, den die Kristallspinne ergriff und damit in einer Ecke des Raumes verschwand. Ihr Herr warf ihr noch einen Schreibstift zu, holte diesen aber rasch wieder zurück, da es sich um einen magischen Stift handelte, und ersetzte ihn durch einen in der Schule gebräuchlichen. Dabei lachte er über sich selbst.
    »Ich muss besser aufpassen, sonst verrate ich mich noch aus Gedankenlosigkeit!« Dann vergaß er die Spinne, die ein Blatt nach dem anderen ergriff und mit Notizen versah, die jeder für Professor Valgrehns Handschrift halten musste, und wandte sich dem Paket aus Edessin Dareh zu. Es war schwer und gut verpackt. Khaton musste ein Messer zur Hand nehmen, um es zu öffnen, und sah zuerst auf die erhofften Bücher. Obwohl es sich um wertvolle Exemplare handelte, wie sie selbst in der Bibliothek der Universität nur selten zu finden waren, sah der Magier sie nur kurz an und ordnete sie mit ein wenig Magie in eines der Regale ein. Sein Interesse galt dem dicken, mehrfach versiegelten Bündel, das zwischen den Büchern lag. Er öffnete es und entnahm ihm als Erstes etliche Briefe, die zumeist aus den Königreichen der weißen Stammtafel sowie von Priestern des großen weißen Tempels in Edessin Dareh und weißen Handelsherren stammten. Khaton brauchte die Umschläge nicht einmal zu öffnen, um zu erkennen, was darin stand, denn seine magischen Sinne offenbarten ihm sogar, was an jenen Stellen gestanden hatte, die überpinselt und verbessert worden waren.
    Der Handelsherr Zendal, einer der reichsten Männer von Edessin Dareh, erhob Beschwerde, weil der Evari nichts gegen die Piraten aus der Freistadt Flussmaul unternahm, die innerhalb eines Jahres bereits das zweite seiner Schiffe gekapert hatten. König Greon von Ildhis, einem Land der grünen Stammtafel, führte Klage gegen das weiße Reich Orelat, das den Frieden in jener Region bedrohte, und so ging es gut ein Dutzend Mal weiter. Der eine beschwerte sich über einen anderen, weitere erhoben Forderungen, die der Evari gefälligst zu erfüllen hätte, und wieder andere jammerten, dass der Hohe Herr Khaton ihnen nicht die erhoffte Unterstützung zukommen ließ.
    »Der Hohe Herr Khaton!« Der Magier spitzte höhnisch die Lippen.
    Wenn sie unter sich waren, nannten sie ihn einen alten Trottel, der schon längst durch einen fähigeren Mann hätte ersetzt werden müssen. Doch dieses Schicksal teilte er mit den anderen Evari, sogar mit jenen von der östlichen Seite des Stromes. Die Wächter der Götter galten wenig bei denen, die sie beschützen sollten. Dabei waren die Leute selbst schuld, dass es so gekommen war. Anstatt auf seinen Rat, auf den des gelben Evari Tardelon oder auf Rhondh, den Vertreter der grünen Farbe, zu hören, missachteten sie die Gesetze der Götter und bekämpften sich gegenseitig.
    Khaton merkte, dass er sich vor Ärger schon wieder innerlich auffraß. Damit aber schadete er nur seiner Tarnexistenz. Professor Valgrehn galt als ausgeglichener und vernünftiger Mann, den noch nie jemand beim Fluchen ertappt hatte. Das musste auch so bleiben. Missmutig warf er die Beschwerdebriefe auf den Boden. Dort entzündeten sie sich von selbst und verbrannten, ohne die geringste Spur von Asche zu hinterlassen. Khaton dachte nicht daran, auf das Gewäsch zu antworten, denn er hatte Besseres zu tun.
    Mit einer gewissen Anspannung ergriff er den Bericht seines Gewährsmannes. Der arme Kerl beklagte sich, dass ihm die Priester, die seine Berufung kannten, beinahe jeden Tag die Türe einrannten, um gegen die Unfähigkeit seines Herrn zu protestieren. Eigentlich hätten nur die drei obersten Priester wissen dürfen, wer Khatons Ohr in

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