Stern der Göttin
Stattdessen aber herrschen in den Dämmerlanden Krieg, Unordnung und Not. Das war nicht der Sinn des Friedensschlusses zwischen den sechs jungen Göttern.«
Sie sagte tatsächlich Götter und nannte die drei Herren und Herrinnen im Osten nicht Dämonen, wie es auf dieser Seite des Stromes üblich war. Damit wertete sie den Feind auf, und das wollte Khaton ungern auf sich sitzen lassen. Ein Blick in ihre hochmütig aufblitzenden Augen warnte ihn jedoch davor, sich in Spitzfindigkeiten zu verlieren.
»Nun, Erhabene, die großen Farbenkriege der drei … äh, sechs Götter sind Vergangenheit. Hier in den Dämmerlanden herrscht nur ein wenig Streit zwischen Nachbarn, die glauben, nicht miteinander auskommen zu können.«
Khaton wusste selbst, dass dies eine starke Untertreibung war, denn sämtliche Kriege der letzten Zeit waren für die Beteiligten verheerend gewesen. Aber mit den großen Schlachten, in denen bis vor tausend Jahren die Scharen der Großen Sechs aufeinandergeprallt waren, konnte man die Gefechte der Menschenreiche wahrlich nicht vergleichen.
Er begriff sofort, dass die Goldene ihn durchschaute. Ihr Lächeln erstarb, und sie bedachte ihn mit einem Blick, als wäre er ein schwarzer Wackelwurm. »Du vermagst dich vielleicht selbst zu täuschen, aber nicht mich. Um es mit IHREN Worten zu sagen: Ihr Evari habt versagt! Das, was hier in den Dämmerlanden geschehen ist, hättet ihr niemals durchgehen lassen dürfen.«
»Ich habe alles getan, um Einfluss auf die Könige und Fürsten der weißen Reiche zu nehmen. Wenn Ihr die Sache gerecht bewertet, werdet Ihr sehen, dass diese weniger als alle anderen an den jüngsten Kriegen beteiligt waren.«
Khaton fühlte sich gekränkt, denn er hatte Dutzende von Botschaften an die Herrscher seines Einflussgebietes gesandt und sogar mit der Ungnade ihres Gottes Meandir gedroht. Allerdings hatte dies, wie er selbst zugeben musste, nicht sehr viel genutzt.
Die Eirun schien dies ebenso zu sehen. »Ihr seid der Evari! Eure Aufgabe ist es nicht, Schullehrer in einer abgelegenen Stadt zu spielen, sondern die Reiche und vor allem die Vorgänge am Toisserech, den die Menschen den Großen Strom nennen, zu überwachen.«
»Thelan ist die größte Gelehrtenstadt auf dieser Seite. Selbst in Edessin Dareh werdet Ihr nicht so viel Wissen finden wie hier«, versuchte Khaton, sich zu verteidigen.
Seine Besucherin wischte diesen Einwand mit einer schroffen Handbewegung fort. »Ihr werdet in Zukunft Eure Aufgaben ernster nehmen als bisher und dafür sorgen, dass gewisse Dinge nicht wieder vorkommen. Vor allem aber werdet Ihr Euch in der nächsten Zeit einer Angelegenheit von höchster Dringlichkeit widmen!«
Khaton erstarrte innerlich. Zwar hatte Meandir ihn zum Evari gemacht, und er war ihm Gehorsam schuldig, doch einem Befehl Iriseas, der höchsten Göttin und Schöpferin dieser Welt, Mutter der beiden Götter Talien und Tenelin und Großmutter Meandirs, konnte auch er sich nicht entziehen. Unterdessen setzte die goldene Eirun ihre Rede fort. »Vor sehr, sehr langer Zeit zeichnete meine Herrin Irisea eine ihrer Dienerinnen mit einem mächtigen Artefakt aus.
Meanil, so hieß die Geehrte, schloss sich jedoch bald darauf Meandir an, um an dessen Seite in den Götterkriegen zu kämpfen. Irgendwann verlor sich ihre Spur weit im Osten, und wir wissen nicht, ob sie nun eine Gefangene schwarzer oder blauer Magier ist oder was sonst mit ihr geschah, denn ihre Seele ist weder zu Irisea noch zu Meandir zurückgekehrt.
Zusammen mit Meanil verschwand auch das stärkste der Artefakte, die Iriseas Sterne genannt werden, und das niemals Richtung Osten hätte gebracht werden dürfen. Wir haben diesen Stern der Göttin lange gesucht und erst vor kurzer Zeit eine erste Spur gefunden. Tharon , der schwarze Evari, so lautet die Nachricht, die wir erhielten, hat das Artefakt entdeckt und in seinen Turm gebracht. Diese Information ist leider auch bis zu gewissen Kreisen in Giringars Reich gedrungen, und es wird nicht lange dauern, bis andere Magier des Schwarzen Landes versuchen werden, den Großen Stern der Göttin in die Hände zu bekommen. Mit seiner Hilfe vermögen sie, eine fürchterliche Waffe zu schaffen, denen sogar die Eirun des Westens kaum etwas entgegenzusetzen haben. Du dürftest besser als andere wissen, dass einige Hochmagier aus Giringars Reich gewillt sind, den Friedensschwur ihres Gottes zu missachten und die großen Kriege von neuem anzufachen.«
Die Eirun blickte Khaton an, als
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