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Stern der Göttin

Stern der Göttin

Titel: Stern der Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Melli
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zu orientieren. Nach Westen erstreckte sich der Wald bis zu einem Bergmassiv, das so aussah, als hätte jemand die Spitze mit einem Messer abgeschnitten. Da diese Stelle besonders hell leuchtete, wandte sie sich in die Gegenrichtung. Dort lag das Gebirge, das sie bei ihrer ersten Erkundung entdeckt hatte. Zwar sahen die Berge steil und zerklüftet aus, doch das schreckte sie nicht. Im Klettern hatte sie bislang noch niemand übertroffen.
    Sie war neugierig, was sie im Gebirge erwartete. Wälder kannte sie von zu Hause, doch von Bergen hatte sie nur gehört. Nun wollte sie die steinernen Riesen mit eigenen Augen sehen. Sie merkte sich die Richtung und stieg herab. Tatsächlich war es leichter, den Weg zu finden, als sie gedacht hatte. Sie brauchte nur die Augen zu schließen, dann nahm sie farbige Strömungen wahr, die das Land durchzogen, und konnte ihnen folgen.
    Daran gewöhnt, rasch auszuschreiten, erreichte Laisa trotz fehlender Wege und Brücken die Ausläufer der Berge noch am Nachmittag des Tages, an dem das Schicksal sie auf diese Welt geworfen hatte. Menschen hätten in diesem unwegsamen Gelände bald aufgeben müssen, aber Laisa machte es Spaß, über Abgründe oder schäumende Bäche zu schnellen und steile, überhängende Felswände hochzuklettern. Nach der Angst und der Unsicherheit der ersten Stunden packte dieses Abenteuer sie wie ein Rausch. Noch nie hatte sie ihre Kräfte so erproben können. Zu ihrem Erstaunen bestand das Gebirge nicht nur aus kahlem, leblosem Stein. Wo sich ein wenig Erde hatte halten können, wuchsen mehrere Arten von Gras und seltsame Blumen. Laisa interessierte sich jedoch weniger für die Pflanzen, als vielmehr für die Tiere, die sich von ihnen ernährten und die eine gute Jagdbeute abgaben.
    Während sie überlegte, noch einmal ein Löffelohr zu fangen, traf sie auf eine Straße, die sich zwischen zwei Berggipfeln in die Höhe schlängelte. Die Rillen, die die Wagen in den Boden gedrückt hatten, waren jedoch zum größten Teil überwachsen. An einer Stelle hatte Schmelzwasser, das im Frühjahr von den Hängen herabstürzte, Bäume und Äste mit sich gerissen und in einer Kurve so verkeilt, dass es für Menschen und Zugtiere kein Durchkommen gab.
    »Es ist schon lange keiner mehr hier gewesen, um aufzuräumen«, sagte Laisa zu sich selbst und kletterte über das Hindernis.
    Da ihr die alte Straße einen bequemen Weg bot und vielleicht auch die Möglichkeit, frische Spuren von intelligenten Bewohnern dieses Landes zu entdecken, folgte sie ihr über die Passhöhe. Der Anblick, der sich ihr von hier oben bot, war berauschend. In südlicher Richtung erstreckte sich eine Ebene, die von ausgedehnten Wäldern bedeckt war. Diese leuchteten allerdings nicht so stark wie jener wunderliche Wald im Westen, in dem sie aufgetaucht war und den sie von hier oben ebenfalls zu einem großen Teil überblicken konnte. Im Norden ragten noch höhere Berge auf, und über dem mächtigsten von ihnen stand eine Rauchsäule, die fast bis zum Himmel reichte.
    Eines wurde Laisa in diesem Moment schmerzhaft klar: Sie musste sehr weit von zu Hause weg sein, denn von solch seltsamen Dingen hatte niemand in Groms Dorf zu erzählen gewusst. Aber da sie den ersten Schock über ihre geheimnisvolle Versetzung überwunden hatte und auf die Schnelle auch keinen Weg zurück finden würde, blieb ihr vorerst nichts anderes übrig, als sich mit der Situation abzufinden. Mit diesem Vorsatz begann sie ihren Abstieg in die Ebene.

    Als sie am Abend einen vorspringenden Felssporn als Nachtlager auswählte und einen kleinen Nager verspeiste, den sie unterwegs erlegt hatte, entdeckte sie in der Ferne ein flackerndes Licht, das nur von einem Feuer stammen konnte. Es war nicht mehr als ein kleiner Punkt, den ein Mensch wohl kaum bemerkt hätte. Ihr bewies es jedoch, dass diese Gegend nicht so einsam war, wie sie vermutet hatte. Begierig darauf, endlich Leute zu finden, die ihr etwas über diesen Landstrich erzählen konnten, beschloss sie, ihr schon mit Blättern gepolstertes Nachtquartier aufzugeben und die Feuerstelle aufzusuchen.
    Da die Straße sich für Laisas Geschmack zu sehr durch die Gegend schlängelte, nahm sie Abkürzungen, die sie rascher voranbrachten. Irgendwann erlosch das Feuer, aber Laisa hatte bereits seinen Rauch in der Nase, und solange die Fremden dort keine Erde über die Asche streuten, würde sie dem Geruch folgen können.
    Licht hatte sie genug, denn soeben ging ein zweiter Mond über diesem Land

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