Stern der Göttin
seinen Männern aufmunternd auf die Schultern klopfte, versuchte Tavuk, sich so gelassen wie möglich zu geben. Innerlich aber war er so gespannt wie eine Bogensehne. Seine Linke umklammerte die Spruchrolle für das Feuer und eine zweite, etwas kleinere, die er ebenfalls in dieser Nacht zu benutzen gedachte. Sie bewirkte nicht mehr, als ein kleines Säckchen aufplatzen zu lassen, das er unter einem der Wagen hatte anbringen lassen. Dieses unscheinbare Beutelchen war sein größter Trumpf.
»Gute Nacht, Männer!«, rief er so laut, dass selbst ein Tauber es gehört hätte, und wickelte sich in seine Decke. Seine Gefährten taten es ihm gleich. Nur der Mann, der die erste Wache übernehmen sollte, stand auf und wanderte ein Stück hin und her.
Da sie nicht wussten, wie lange ihnen das Katzenwesen bereits auf der Spur war, hatten sie es nicht gewagt, ihr Nachtlager anders aufzubauen als in den letzten Tagen. Tavuk hatte nur die Anweisung gegeben, dass die jeweilige Wache sich nicht um den Wagen mit dem Katzenjungen kümmern sollte. Er selbst hatte einen Platz bei dem zweiten Wagen gewählt und den Rest seiner Leute so postiert, dass sie ihrem Verfolger das Eindringen erleichterten, ihn aber am Entkommen hindern konnten. Eine gewisse Unsicherheit blieb natürlich, wenn ihr Gegner nicht wie erwartet heimlich zum Wagen schleichen sollte, sondern plante, erst ihn und seine Leute zu töten. Doch auch darauf waren sie vorbereitet, denn jeder der Männer hielt sein Schwert unter der Decke griffbereit. Einschlafen würde keiner von ihnen, dafür fürchteten sie den Katzenmenschen zu sehr. Tavuk hoffte jedoch, dass es nicht zum Kampf kommen würde, denn er wollte das Wesen möglichst unversehrt in die Hand bekommen. Schwer verletzt oder tot war es nichts mehr wert.
Die Anspannung stieg, je weiter die Zeit fortschritt. Das Katzenwesen erwies sich als geduldiger, als sie erwartet hatten, und Tavuk befürchtete bereits, sich die Nacht umsonst um die Ohren geschlagen zu haben. Da meldete das Warnartefakt, dass sich ihr Opfer in Bewegung setzte. Die Katze war verdammt schnell und so leise, dass Tavuk nicht das Geringste hören konnte, obwohl sie dem Aufleuchten des Artefaktes zufolge keine vier Schritte von ihm entfernt vorbeischlich. Seine Hände krampften sich um die Spruchrollen, und für Augenblicke überkam ihn die Angst, er könnte sie vertauschen und dadurch falsch anwenden. Mit den Fingerspitzen tastete er über die Siegel und dankte dabei den Magiern für die eindeutigen Symbole, mit denen sie sie versahen.
☀ ☀ ☀
Laisa hatte den Wagen mit dem Katzenjungen fast erreicht, als sie ein leises Geräusch vernahm. Sofort blieb sie stehen und sah sich um. Die Flussmäuler lagen jedoch still in ihre Decken gehüllt, während ihr Wachposten ein ganzes Stück von ihr entfernt mit seiner Müdigkeit zu kämpfen schien. Trotzdem hatte sie ein schlechtes Gefühl und überlegte, ob sie sich nicht wieder zurückziehen und den Befreiungsversuch in der nächsten Nacht unternehmen sollte. Aber dann dachte sie an den Katling, der noch einen Tag länger würde leiden müssen.
Rasch legte Laisa die restliche Strecke bis zu dem Wagen zurück und sprang auf das Dach, ohne lauter zu sein als der zwischen den Felsen streifende Nachtwind. Nun galt es vor allem zu verhindern, dass die Überraschung die Gefangenen dazu trieb, sich durch Rufe oder Kettenklirren zu verraten. Sie hoffte auf die Erfahrung des Katlings. Zwar hatte dieser gewiss noch nicht die harte Ausbildung zum Karawanenwächter hinter sich gebracht, aber er konnte seinen älteren Freunden schon einiges abgeschaut haben. Daher stieß sie einen Laut aus, von dem sie wusste, dass Menschen ihn nicht hören konnten.
Fast im selben Augenblick maunzte der Katling unter ihr laut. Laisa verfluchte ihn im Stillen, denn das Geräusch konnte den Wächter aufmerksam machen. Rasch blickte sie zu dem Mann hinüber, doch der hockte auf der Erde und gähnte ausgiebig. Nun beruhigte der Katzenjunge sich wieder und antwortete auf die gleiche Weise wie sie. Damit war zwar keine richtige Verständigung möglich, doch sie war sicher, dass er genug begriffen hatte, um seine Mitgefangenen warnen zu können. Kettengeklirr verriet ihr, dass sich mehrere Leute unter ihr bewegten, doch es war zum Glück leise genug, um die schlafenden Flussmäuler nicht zu wecken.
Angespannt beugte Laisa sich vor und zog an einem der Haken, die die Bordwand versperrten. Das Ding saß fester, als sie erwartet hatte, und
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