Stern der Göttin
Überlieferung nach haben ihre drei Söhne, die jetzt als Dämonen den Westen beherrschen, sie getötet. Du …«
»Auf beiden Seiten des Stromes wird eine Menge Unsinn geschwatzt!«, fiel ihr Khaton mit eisiger Miene ins Wort. »Irisea lebt, und sie wünscht, dieses Artefakt zurückzuerhalten. Derzeit liegt es in Tharons Turm und sieht aus wie ein Stern.«
»Wie ein Stern?« Laisas Kopf ruckte herum. Sie erinnerte sich noch gut an das magisch geladene Schmuckstück, das sie aus ihrer Heimat in diese Gegend gebracht hatte.
Naika schüttelte den Kopf. »Es geht nicht, Laisa. Du bist weiß und kannst nicht zu diesem Schwarzlandmagier gehen. Das würdest du nicht überleben.«
»Laisa ist sehr robust gegen Schwarzlandmagie und wird in Tharons Turm nicht in Panik verfallen. Außerdem wird sie nicht als Weiße gehen. Unser gemeinsamer Feind Salavar hat mich auf eine gute Idee gebracht. Wenn es ihm, einem starken Schwarzlandmagier, gelungen ist, sich als Grüner zu tarnen, können wir aus Laisa, die magisch um einiges schwächer ist, eine ausgezeichnete blaue Dame machen.« Khaton nickte zu seinem eigenen Vorschlag und sah dann Laisa auffordernd an.
»Nun, was ist? Bist du mutig genug, Tharon diesen Bissen aus dem Maul zu ziehen?«
Laisa wusste nicht so recht, was sie antworten sollte. Eigentlich hatte sie mit ihren Freunden in Borlons Heimat reisen und später Naika zum See der Nixen bringen wollen. Auch wünschte sie, sie könnte sich nach all den Aufregungen eine Zeitlang ausruhen und ausgiebig Körperpflege betreiben. Zudem sträubte sich der Teil von ihr, der noch immer beleidigt war, weil Khaton ihren Anteil an der Rettung Gamindhons so unter den Tisch gekehrt hatte, gegen den Auftrag.
Gleichzeitig aber dachte sie an die Frau mit den Goldaugen, die offensichtlich auch dem Evari erschienen war, und deren weißes Sternenamulett. Es schien ihr ein Hinweis zu sein, dass sie genau zu diesem Zweck in die Dämmerlande geschickt worden war. Dabei war ihr klar, dass dieser Auftrag noch gefährlicher sein würde als die Abenteuer, auf die sie sich eher zufällig eingelassen hatte. Zwar hatte sie es fertiggebracht, mit Salavar einen sehr mächtigen Schwarzlandmagier zu vertreiben, doch der hatte sie völlig unterschätzt und vor allen Dingen nicht alle Waffen bei sich gehabt, die der wohl noch mächtigere Tharon gegen sie einsetzen konnte.
Sich rundheraus zu weigern, ließ ihr Stolz jedoch nicht zu. In Groms Dorf war sie stets die Beste ihres Jahrgangs gewesen und hatte auch die älteren Katlinge übertroffen. Allerdings hatte sie sich dort immer fremd gefühlt. Auf dieser Welt aber gab es Wesen, die ihr viel stärker glichen als Groms Katzen. Sie musste nur Rongi ansehen, der ihr jüngerer Bruder hätte sein können. Es gab auch weiße Katzenmenschen wie sie selbst – oder es hatte sie zumindest gegeben.
Außerdem hatte ein Katzenmensch noch nie einen Auftrag abgelehnt, und sie wollte nicht die Erste sein, die es tat. Ihr Blick streifte Khaton mit einer gewissen Abneigung, doch sie nickte. »Ich werde gehen und dieses Ding holen.«
»Aber du gehst nicht allein!«, rief Naika aus.
»Nein, das wird sie nicht. Rongi und Ysobel werden sie begleiten. Wie steht es übrigens mit deinen Verwandlungsfähigkeiten, Laisa?«, fragte Khaton.
Er brauchte keine Antwort, denn die Verwirrung auf Laisas Gesicht sagte ihm genug. »Entweder hast du kein Talent dafür, oder du wurdest nicht entsprechend ausgebildet. Aber wir haben keine Zeit, dies nachzuholen. Daher wirst du als Katzenfrau reisen müssen. Zum Glück sind die Leute drüben an den Anblick von solchen Wesen wie dich gewöhnt. Ein Katzenmann namens N’ghar beginnt jenseits des Stromes bereits zur Legende zu werden, seit es ihm gelungen ist, den Erbprinzen von Kinuradh und einige andere Gefangene des letzten Krieges aus Kerkern auf dieser Seite des Stromes zu befreien und in die Heimat zurückzubringen. Einige Leute nennen ihn bereits in einem Atemzug mit der Kriegerin Tirah von Mar.«
»Pah, Tirah ist einmalig! Niemand kann der unsterblichen Heldin der Linirias das Wasser reichen«, warf Ysobel erregt ein.
»Ganz so unsterblich scheint Tirah nicht zu sein, denn im letzten Krieg hat eure Seite ihre Anwesenheit schmerzlich vermisst.« Khaton ging mit einer abfälligen Handbewegung über Ysobels Worte hinweg und sah Laisa durchdringend an.
Doch wieder war es Naika, die das Wort ergriff. »Ich werde Laisa als blaue Nixe verkleidet begleiten!«
Der Evari seufzte leise.
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