Stern der Göttin
Wassarghan, als sein Assistent Gerull in den Kommandoraum der Schwarzen Festung trat. Dabei zählte Ungeduld nicht unbedingt zu seinen Schwächen. Gewohnt, Pläne über Jahrzehnte oder Jahrhunderte vorzubereiten und zu verfolgen, wäre es ihm normalerweise gleichgültig gewesen, wann sie ihre Operation durchführten. Doch diesmal galt es, mehrere Aktionen aufeinander abzustimmen, und die erste war bereits im Gange.
»Ist alles gutgegangen?«, fragte er den jüngeren Magier.
Gerull nickte, behielt dabei aber Waddan und Ugurol im Auge, die mittels eines Levitationsartefaktes ein großes Paket in den Raum schweben ließen und an einer freien Stelle niedersetzten. Dann erst antwortete er seinem Anführer.
»Ich habe Eure Anweisungen wortwörtlich ausgeführt, erhabener Erzmagier, und alles besorgt, was Ihr mir aufgetragen habt. Es ist mir auch gelungen, zu Hocherzmagier Caludis, unserem erhabenen Oberhaupt, vorgelassen zu werden und dem Hohen Herrn Euer Anliegen mitzuteilen. Er hat versprochen, sich dafür einzusetzen, dass Eure Wünsche erfüllt werden. Kurz bevor ich mich auf den Rückweg gemacht habe, ließ er mir ein Paket mit Urkunden und Abzeichen aushändigen. Ich habe es jedoch nicht aufgemacht, um den Inhalt zu prüfen.«
Wassarghans Blick verriet seinem Assistenten, dass dieser richtig gehandelt hatte. Es war sein Recht als höchstrangiger Magier und Vorgesetzter aller Anwesenden, diese Urkunden als Erster anzusehen und an seine Gefolgsleute zu verteilen.
Bevor er damit begann, überflog er aber die Liste mit den Artefakten und anderen magischen Hilfsmitteln, die Gerull für ihn besorgt hatte. Dabei stellte er erfreut fest, dass der junge Mann gute Arbeit geleistet hatte. Nun besaß er alles, was er den Informationen aus den Speichern der Schwarzen Festung zufolge für die Durchführung seines Planes benötigte.
»Sehr gut!« Mit diesen Worten lobte er jedoch mehr seine eigene, intensive Vorbereitung als die Leistung seines Untergebenen. Diesem befahl er, ihm das Paket mit den Urkunden und Plaketten zu übergeben.
Auf seinen magischen Befehl hin erloschen die Siegel, die es verschlossen, und er vermochte das zähe, wasserdichte Papier aufzuschlagen. Darunter kamen Umschläge zum Vorschein, welche die Urkunden mit den neuen Ehren und Rängen seiner Leute enthielten, und die dazugehörenden Plaketten, die sie auf ihren Magiertalaren tragen würden.
Der Umschlag für Gerull lag ganz oben auf dem Stapel. Gespannt holte der Erzmagier ihn heraus. Diese Urkunde und Plakette war sehr wichtig für das weitere Gelingen seiner Pläne. Zwar hatte er keinen Zweifel, dass Caludis seiner Bitte nachgekommen war, dennoch atmete er auf, als er das magische Symbol wahrnahm, das seinen Assistenten nicht nur in einen höheren Rang versetzte, sondern ihm auch weitreichende Vollmachten verlieh.
Er öffnete den Umschlag und reichte dem jungen Mann Urkunde und Plakette. »Ich freue mich, dir mitteilen zu können, dass du durch die Gnade des großen Giringar in den Rang eines Hochmagiers erhoben worden bist, und zwar«, diesmal musste Wassarghan doch auf die Plakette schauen, »direkt in den achten Grad!«
Gemurmel erhob sich unter seinen versammelten Gefolgsleuten. Eine Beförderung über gleich zwei Stufen hinweg war selten und bewies ihnen, wie angesehen ihr Anführer beim Oberhaupt ihres Magierordens war. Hocherzmagier Caludis musste seinen gesamten Einfluss eingesetzt haben, um diese Ehrung durchzusetzen. Nun begannen auch die anderen Magier und Adepten zu hoffen, nicht nur eine Stufe aufzusteigen, sondern gleich zwei. Sie wurden nicht enttäuscht.
So wurde Tekolok vom Adepten zweiten Grades zum Magier neunten Grades befördert, Saranthin gleich gar um drei Stufen zum Adepten ersten Grades, und auch der Rest konnte sich nicht beklagen.
Schließlich ergriff Wassarghan den Umschlag, der seinen Namen trug. Seine Anspannung stieg schier ins Unermessliche, und er hörte seine Untergebenen flüstern.
»Was glaubt ihr, auf welchen Rang der Hohe Herr befördert wird? Vielleicht sogar zum Hocherzmagier und Gefährten Giringars oder wenigstens zum Gouverneur der Westprovinz?«
Ersteres wäre Wassarghans Traum gewesen, doch hätte er sich auch mit dem Statthalterposten im Westen zufriedengegeben. Damit wäre ihm mehr als die Hälfte der Streitkräfte des Schwarzen Landes unterstellt gewesen, und er hätte die gesamte Grenze zu den Dämmerlanden überwachen können. Doch als er den Umschlag öffnete und auf die Urkunde schaute,
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