Stern der Göttin
einen guten Thilierwein übertreffen. Nun aber brummte er vor Behagen wie ein echter Bär. »Bei Meandir, ist das ein Tropfen! Wenn es den drüben bei uns gäbe, würde mein Volk diesen Wein fässerweise – nein, fuderweise bestellen.«
»Es wird doch viel auf den Flüssen und dem Strom gehandelt. Kann man da nicht eine Ladung Wein von hier in euer Land bringen lassen?«, fragte Laisa.
»Jede Seite treibt ihren Handel für sich, aber nicht miteinander. Daher wird mir nicht mehr bleiben als die Erinnerung an diesen herrlichen Wein.« Borlon blickte traurig auf seinen leeren Becher und stellte ihn wieder hin.
Die Wirtin hatte an seinem Kittel und dem Halsring erkannt, dass es sich um einen Sklaven von drüben handelte, doch sein Lob für ihren Wein wärmte ihr Herz, und sie schenkte ihm noch einmal ein.
»Hier trink, und lass es dir schmecken.«
»Mea …, nein, Linirias soll es dir vergelten!« Es war das erste Mal, dass Borlon eine Gottheit dieser Seite anrief, und es kam weder eine riesige weiße Hand vom Himmel, um ihn zu zerschmettern, noch machte die violette Göttin ihrem Unmut mit einem Feuerblitz Luft.
Dabei wunderte der Bärenmensch sich über sich selbst. Obwohl er sich auf der schrecklichen östlichen Seite des Stromes aufhielt, saß er ganz ruhig in einem gemütlich eingerichteten Gastraum, trank köstlichen Wein und lauschte dem Gespräch der beiden so unterschiedlichen violetten Frauen. Larkah war um mehr als einen halben Kopf größer als Ysobel und beinahe doppelt so schwer, dennoch verstanden die beiden sich wie Schwestern.
Mit einem Mal aber hob die Wirtin den Kopf. »Ihr wollt in das verfluchte Gebiet? Bei Linirias, tut das lieber nicht! Da will keiner hinein, und wer es doch wagt, kehrt mit zerrüttetem Verstand zurück und erzählt von schrecklichen Ungeheuern, die ihn beinahe gefressen hätten.«
Diese Sätze waren der letzte Beweis, dass ihr Ziel tatsächlich nahe war. Von Khaton wusste Laisa, dass Magier die Umgebung ihrer Türme meistens durch Illusionszauber schützten. Die Türme selbst waren auf andere Art gesichert, doch da hoffte sie, diesen Schutz mit Hilfe der vorerst noch in Silberhüllen steckenden Artefakte zu durchbrechen, die der weiße Evari ihr mitgegeben hatte.
»Können wir hier übernachten?«, fragte sie Larkah.
Während diese nickte, stand Borlon auf. »Ich gehe die Pferde versorgen.«
»Tu das.« Laisa nickte dem Bärenmenschen kurz zu und sah dann wieder die Wirtin an.
»Erzähle mir alles, was du über diese schreckliche Gegend weißt. Es interessiert mich brennend.«
☀ ☀ ☀
Nachdem sie sich von der Wirtin verabschiedet hatten, begannen Laisa und ihre Gefährten am nächsten Tag den Aufstieg ins Gebirge. Der Bergrücken, den sie dabei überqueren mussten, fiel gegen das Umland steil ab, und es war beinahe unmöglich, zu Pferd weiterzukommen. Schon bald stiegen alle ab und führten die Tiere. Zuletzt mussten Laisa und Rongi sogar vorausklettern und einen Pfad suchen, den die Pferde noch bewältigen konnten. Laisa wäre am liebsten umgekehrt, um die Tiere in Larkahs Herberge einzustellen. Sie wagte es jedoch nicht, da sie nicht wusste, ob sie sich noch einmal trauen würde, dieses abweisende Land zu betreten.
Dabei waren sie bislang noch auf keinen einzigen Illusionszauber gestoßen. Das Land selbst strahlte jedoch eine so starke Abwehr aus, dass sie jedem Menschen und sogar Laisa bis ins Mark drang. Hier kostete jeder Schritt Überwindung. Selbst die Pferde spürten es und wurden zusehends widerspenstiger.
»Wenn es nicht bald besser wird, müssen wir die Gäule zurücklassen, selbst auf die Gefahr hin, dass sie an der nächsten Stelle abstürzen und verrecken«, rief Ysobel Laisa zu.
Genau das aber wollte Laisa verhindern. Daher strich sie ihrer Stute über das Maul und sprach beruhigend auf sie ein. Vakka blickte sie dabei an, als würde sie ihre Worte verstehen, schnaubte und ließ sich ohne weitere Probleme führen.
Ysobel, die zugesehen hatte, stieß einen beeindruckten Pfiff aus, der schaurig von den Felswänden widerhallte. »Entschuldigung, das wollte ich nicht«, sagte sie, als sowohl Laisa wie auch Borlon zusammenzuckten. »Wie es aussieht, besitzt Laisa die Fähigkeit, Tiere zu beeinflussen oder wenigstens zu beruhigen. Ich finde, das sollten wir ausnützen. Versuche mal, ob du auch meinen Gaul so weit bringen kannst, vernünftig hinter mir herzulaufen.«
Laisa kratzte sich zwischen den Ohren und fragte sich, weshalb alle Leute sie
Weitere Kostenlose Bücher