Stern der Göttin
gegebener Zeit.« Laisa reichte dem Mann dabei mehrere Münzen, die sie, ohne sie anzusehen, aus ihrer Börse herausnahm, und sah seine Augen aufblitzen. Er bedankte sich höflich und wünschte ihr und ihren Begleitern weiterhin eine gute Reise. Dann eilte er nach vorne zum Bug und beschimpfte den Kapitän eines langsameren Prahms, der ihn nicht überholen lassen wollte.
☀ ☀ ☀
Mehr noch als Laisa und ihre Freunde waren die Pferde erleichtert, dass die Reise mit dem Flussschiff beendet war. Damit wirkte auch der Gehorsamszauber nicht mehr, der sie zu braven Zugtieren hatte werden lassen, wie Laisa zu ihrem Leidwesen bemerkte. Kaum saß sie in Vakkas Sattel, ging ihre Stute durch und preschte in einem Tempo durch das Städtchen, dass die Passanten zur Seite springen mussten. Erst als Laisa das Pferd wieder gebändigt hatte, konnte sie sich in Ruhe die Leute ansehen. Den hochgewachsenen Gestalten und den violett gefärbten Schöpfen nach handelte es sich diesmal nicht um Wardan, aber sie glichen auch nicht dem Menschentyp, dem Ysobel angehörte.
»Das sind Leute vom Mar-Volk«, erklärte die Tivenga auf Laisas Frage hin. »Allerdings haben die hier die alten Sitten vergessen und leben nach der Art der Tawaler«, setzte sie verächtlich hinzu, und Laisa merkte deutlich, dass ihre Begleiterin diese Menschen nicht besonders mochte.
Ysobel führte sie zu einer Taverne, über der ein Schild mit einer kräftig gebauten Amazone im leichten Wind schwang, und öffnete die Tür. »Hier bekommen wir gewiss bessere Kost als in einer der anderen Schenken!«, sagte sie und grüßte fröhlich die Wirtin, die wie eine friedliche Ausfertigung der Gestalt auf ihrem Tavernenschild aussah.
Die Frau sah von den Bechern auf, die sie gerade wusch, und grinste über das gesamte Gesicht. »Na, Ysobel, du Landstreicherin, lässt du dich auch mal wieder sehen? Das Letzte, was ich von dir hörte, war, dass du deine Leute verlassen hast.«
»Es geschah nicht freiwillig, Larkah. Ich bin ein paar Flussmäulern über den Weg gelaufen, die mich eingefangen und als Dämonenfutter nach Westen verschleppt haben«, antwortete Ysobel.
Die Wirtin ließ beinahe den Becher fallen. »Was du nicht sagst! Aber du bist ihnen doch glücklich entkommen?« Ein wenig Zweifel schwang darin, denn im Glauben der Menschen dieser Länder gab es keine Wiederkehr, wenn man einmal als Gefangener über den Strom geschafft worden war.
»Dank der Dame Laisa, die du hier siehst. Sie ist eine der größten Kriegerinnen unseres Zeitalters und würdig, der großen Tirah nachzufolgen.«
»Tirah!« Larkah wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. »Die hätten wir im Südkrieg brauchen können. Ich sage dir, dann wäre dieses grüne Gesindel nicht über den Strom gekommen. Aber seit jenem letzten großen Krieg im Norden vor mehr als vierzig Jahren hat sie niemand mehr gesehen. Sie soll damals schwer verwundet worden sein, und es gibt Gerüchte, die Göttin habe sie endgültig zu sich geholt.«
Für Augenblicke senkten sowohl Ysobel wie auch ihre breit gebaute Freundin die Köpfe und sprachen ein Gebet für die Seele der großen Kriegerin, die den violetten Völkern der Dämmerlande mehr als achthundert Jahre lang Schutz und Hilfe hatte angedeihen lassen. Dann aber besann die Wirtin sich auf ihre Pflichten und stellte mehrere Becher auf den Tisch.
»Zur Feier deiner glücklichen Rückkehr gibt es Marangree-Wein, nicht vom schlechtesten und auf Kosten des Hauses!«
»Für mich und Rongi Milch bitte«, wandte Laisa ein, die mit alkoholischen Getränken nichts anfangen konnte.
»Na, das wäre was, wenn eine blaue Dame einen Becher guten Marangree-Weines ablehnen würde, wo die doch alle ein wenig verschnuppt sind«, rief Larkah aus und stellte Laisa trotz der abwehrend erhobenen Hände einen Becher Wein hin.
»Auf dich und Ysobel! Ich danke dir, dass du dieses unruhige Blut gerettet hast. Es wäre doch schade um sie gewesen. Immerhin zählt sie zu den besten Gauklerinnen ihres Volkes – und zu meinen speziellen Freundinnen!« Larkah hob ihren eigenen Becher Laisa so auffordernd entgegen, dass dieser nichts anderes übrigblieb, als mit ihr anzustoßen und wenigstens die Zungenspitze mit dem Wein zu benetzen. Das Getränk war süß und schwer und besaß einen angenehmen Geschmack, der sogar Laisa zusagte. Trotzdem war sie froh, als der Inhalt ihres Bechers, aber auch der von Rongi einen anderen Abnehmer fand.
Bisher war Borlon der Ansicht gewesen, nichts könnte
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