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Stern der Ungeborenen

Stern der Ungeborenen

Titel: Stern der Ungeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
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am frühen Morgen«, sagte ich und wischte mir den Schweiß von der Stirn.
    Io-Joel hatte sich mir genähert und flüsterte scharf in mein Ohr:
    »Glauben Sie ja nicht, Doktus, daß die Menschen hüben mehr zu fürchten haben als die Leute drüben. Sie kennen ja die Stutzer und Gecken, Io-Do und Konsorten. Es sind Dilettanten. Sie haben die altertümlichsten Fernschattenzerstörer gesammelt, mit denen sie ein paar Berge einebnen und ein paar Wälder leicht vernichten können. Hier aber ist der Wille zum Leben und die Zukunft, und dem General steht psychische Artillerie zur Verfügung, von der ich Ihnen freilich nichts verraten darf. Ich würde mich an Ihrer Stelle beeilen …«
    Diese Mahnung bewies, daß Minjonmans Sohn um seinen Vater zitterte, obwohl er ewig im Kampf mit ihm lag. Wie leicht hatte sich dagegen Lala von ihrer Familie gelöst.
    »Ich übernehme hiermit den Auftrag«, sagte ich so laut, daß mir die Ohren hallten. »Ich tue das nicht, weil mich etwa der Wille zum Leben oder die Zukunft interessiert. Mit weiterer Zukunft als bis dato könnte ich gar nicht fertig werden. Ich tue es für den Djebel, für Sternwanderer, Verwunderer, Fremdfühler, für den Hochschwebenden und für Io-Knirps, den Sternentänzer, der das Wissen um die Gestalt des Weltalls und die wichtigsten Augenblicke der Menschheit dereinst vermehren wird …«
    »Gospodar kann abtreten«, nickte Konstantin und nahm, die Audienz abschließend, ein Papier zur Hand.
    Mich erbitterte es, daß er mich wie alle Offiziere meiner verflossenen militärischen Laufbahn als eine Ordonnanz behandelte.
    »Halt«, rief ich, »ich fordere, daß man mir meine Mission erleichtere.«
    »Was für Erleichterungen«, brummte der General, ohne aufzublicken.
    »Ich fordere umgehend die Repatriierung der taubengrauen Bräute«, sagte ich, nicht ohne Mühe der Monolingua diese bürokratische Ausdrucksweise abgewinnend.
    Io-Joel sah mich aus seinen blassen wimperlosen Augen spöttisch an:
    »Ich weiß nicht, ob Sie Ihren taubengrauen Bräuten damit einen Dienst erweisen. Mag sein, daß schon während der nächsten Stunden das Leben hier im Dschung … Verzeihung, in Bergstadt sicherer sein wird als drüben. Denken Sie an die Katzen …«
    »Es geht nicht um Sicherheit«, beharrte ich, »sondern um Recht, Gesetz und um die Verfassung.«
    Bei diesen meinen unüberlegten Worten sprang Konstantin wütend auf. »Verfassung«, fuhr er mich an, und sein plumper Schädel und die verkrüppelten abstehenden Ohren wurden rot wie die Revolution. »Die Verfassung war immer gegen uns, der General ist aber da, um die Freiheit des Willens zu verteidigen …«
    »Wozu ist der General da?« fragte ich mit der größten Ruhe. »Ich traue meinen Ohren nicht. Unsere Generale waren zumeist da, um die Unfreiheit des Willens zu verteidigen. Und das war oft äußerst notwendig, Konstantin.«
    »Holt die Mädels her«, polterte der Kommandant. »Sie sollen ihm selbst antworten, ob sie nach Hause wollen …«
    Der Zorn des Generals half mir, meine Ruhe zu bewahren:
    »Sie sprechen von Willensfreiheit, Konstantin«, sagte ich, »von dem Wunder also, mit dem der Mensch das Naturgesetz durchbrechen darf, Sie der Sie nicht einmal soviel Wunder in sich haben, um für Ihre neue Geliebte Ihr Cigarrohorn fortzuwerfen?«
    Meine Verwegenheit kam leider nicht mehr zur Geltung, weil im selben Augenblick eine Gruppe der Bräute ins Zimmer drängte. Manche noch immer im taubengrauen Brautgewand, manche in gestickten Miedern, ähnlich wie Lala. Nur einem kleinen Teil gelang es, durch die Tür zu kommen, die andern hörte man draußen auf dem Gang. Wahrscheinlich war Lala unter letzteren, denn ich fand sie nicht. Ich möchte wetten, daß ich auch einige graue, dickfellige Kätzchen gesehen habe, die sich an die jungen Mädchen schmiegten. Konstantin herrschte mit grober Stimme diesen Flor der ihm unendlich überlegenen astromentalen Kulturwelt an, vielleicht eigens, um mir zu imponieren:
    »Der Gospodar hier ist gekommen, weibliche Ios, um euch nach Hause zu holen. Er hat einen wichtigen Auftrag von mir. Ihr werdet seinen Auftrag erleichtern und euern Leuten daheim helfen, wenn ihr ihm folgt. Welche von euch nicht hierbleiben will, kann sich zusammenpacken und gehen.«
    Auf diese unglaublich pöbelhaften Worte Konstantins blieb es zuerst lange still. Dann wurde die Stille durch einen seltsam chorisch miauenden Klagelaut der Bräute abgelöst. Der General hatte wieder einmal bewiesen, daß er sein

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