Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stern der Ungeborenen

Stern der Ungeborenen

Titel: Stern der Ungeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
Vom Netzwerk:
her angerufen …«
    B. H. erschrak bei dem Wort Djebel so sehr, daß er bleich wurde. Man konnte es selbst im bläulichen Sterntageslicht bemerken.
    »Djebel«, stieß er hervor. »Aber das ist doch wirklich unmöglich …«
    »Warum unmöglich? Wegen der Fernschattenzertrümmerer?«
    »Mit dem Djebel hat sich soeben mein böses Vorgefühl beschäftigt, F. W. Bei uns Astromentalen aber ist ein Vorgefühl ein Vorwissen …«
    »Und was sagt dir dein Vorwissen?«
    »Daß dich beim Djebel dein Ende ereilen wird, dein relatives Ende selbstverständlich …«
    »Muß mein unerlaubt langer Aufenthalt hier nicht einmal sein Ende nehmen, B. H.? Und ich würde mir für dieses Ende eher den Djebel wählen als den Wintergarten …«
    »Das hast du ja bewiesen …«
    »Ich habe nur den ersten Teil dieser meiner Behauptung bewiesen … Übrigens dein Vorwissen in Ehren, aber es mag ebenso unbegründet sein wie es oft unser Wissen ist.«
    Ich hatte mich längst schon erhoben und drehte mein schimmerndes Reisespielzeug zärtlich in der Hand hin und her. B. H. stand neben mir, sein großes Haupt ein wenig gesenkt. Er lächelte versonnen vor sich hin, als er sagte:
    »Ich sollte dir das Mentelobol aus der Hand schlagen und fortnehmen …«
    »Nun, B. H.«, lachte ich, »worauf wartest du?«
    »Dieses ›worauf wartest du‹ ist eine Gemeinheit, F. W.«, sagte er sanft. »Du weißt ja, daß ich es dir nicht aus der Hand schlagen werde. Ich kann dich ebensowenig ändern wie du mich …«
    »Denken wir an die Worte von GR 3 : der Mensch beginnt damit, daß er sich keine Sorgen macht. Eine blödsinnige Maxime übrigens. Denn es ist ja gerade das Menschliche an dir, daß du dir Sorgen um mich machst …«
    »Wenn du fertig bist, los«, sagte B. H. trocken, indem er mich umfaßte, damit wir im nächsten Augenblick gemeinsam vor dem Djebel stünden.
    Ich aber trat zwei Schritte hinter mich:
    »Halt, B. H. Es ist ja wirklich möglich, daß mir etwas passiert oder dir. Laß uns vorher anständig und altmodisch Abschied nehmen. Ich danke dir, daß du mich aus dem Alphabet gestochen hast. Mein Bewußtsein ist durch dich unermeßlich bereichert worden. Du hast mir ein königliches Geschenk gemacht. Zwei Dinge weiß ich für alle Ewigkeit. Daß wir beide nicht aus der Welt verschwinden können und daß eine Wiederbegegnung immer möglich ist. Und es war auch sonst trotz aller Zwischenfälle furchtbar nett und riesig interessant …«
    Hinter diesem »furchtbar nett« und »riesig interessant«, versteckte ich meine Bewegtheit, was ich dem Leser nicht erst erzählen müßte. B. H. aber, der feinere und empfindsamere von uns beiden, schüttelte mir stumm die Hand, sah mich an und schlug sofort die Augen nieder. Ich ließ mit routinierter Flinkheit bei der »scharfeingestellten Wunschvorstellung« die blaßfarbenen Kügelchen in die richtigen Löchlein springen.
    Als das Ziel vor uns war, meinte ich einen Fehler begangen zu haben. Denn da war kein Djebel mehr, sondern ein weites Trümmerfeld hoch aufgehäufter Kristallquadern und ein Felsengewirre von Prismen, über denen zarte Regenbogenhauche gebrochener Sternstrahlen schwebten. Die Fernsubstanzzertrümmerer hatten das erhabenste Sinn- und Baugebilde, das die Menschheit jemals errichten wird, in Schutt und Asche gelegt. Ja, man kann wirklich von Asche reden, denn gewisse Teile des kristallinischen Materials durchglühten wie Lava feurig die Nacht, und wie überirdischer Pauken- und Beckenschlag klang’s, wenn die Schlackenkolosse in die Tiefe sprangen. Dazu rauschten die Wasser durch den ungeheuren Ruin, und ein unsagbares Flirren und Sirren verriet die Teilnahme der Gestirne, die ihre irdische Heimat verloren hatten.
    Die Chronosophen aller Lamaserien, Fremdfühler, Verwunderer, Sternwanderer und die Schuljugend der Planetenklassen waren in einem weiten Bogen, dessen Enden man nicht absehen konnte, um den tragischen Untergang versammelt. Sie duldeten nicht, daß man sich dem flaschengrünen, eisartigen Randgebiet näherte. Wir sahen, wie einige heftige Zeichen machten, die uns warnen sollten. Ich begriff nicht recht, was vorging. Standen wir in der Gefahrenzone? Irgendein giftiges Verstummen war in der Luft, das ich nie vergessen werde. B. H. schien plötzlich alles zu verstehn. Er faßte meine Hand, um mich wegzuziehen. Er begann zu laufen wie ein Wahnsinniger. Ich aber riß mich ärgerlich los von ihm. Da sah ich, daß er strauchelte und hinfiel. Dies gerade aber war das

Weitere Kostenlose Bücher