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Stern der Ungeborenen

Stern der Ungeborenen

Titel: Stern der Ungeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
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Abendbummler, indem sich nämlich ein wirklich
Fremder
unter uns eingefunden hat, und zwar durch gütige Vermittlung der Brautfamilie Io-Fagòr und der Bräutigamsfamilie Io-Solip, die zur Zeit ihre großen drei Tage feiern. Wir sind diesen hochachtbaren Familien den herzlichsten Dank schuldig, daß sie es mit Hilfe eines Hausfreunds, der nicht genannt sein möchte, sowie durch ihre eigene beharrliche Bemühung ermöglicht haben, daß wir unter uns einen Gast aus den Anfängen des Menschengeschlechts begrüßen dürfen, einen Gast, ganz echt in seinem weißhäutigen Leibe und steifem, grobem Kostüm, wie Sie alle selbst sehn können … Ich begrüße somit Seigneur mit dem Wunsche, er möge sich recht wohl fühlen in unserer Mitte …«
    Ich fühlte mich gar nicht wohl. Es war einer jener Augenblicke, wo man am liebsten in ein Mauseloch kriechen möchte. Die Menschenmenge ringsum applaudierte und stampfte ein bißchen, ungefähr wie es zu meiner Zeit geschah, wenn das Publikum eine untermittelmäßige Zelebrität begrüßte, von der es so gut wie nichts wußte. Obwohl ich somit kein Success war, lächelte ich wieder dankend nach allen Seiten und entblößte die Zähne. Der Fremdenführer, der plötzlich einen Zeigestab von der doppelten Länge einer Fischangel in der Hand hielt, wies mit ihm auf mich:
    »Ich möchte darauf aufmerksam machen«, sagte er, »daß Seigneur widerspruchsvoller Weise bei weitem der Älteste und bei weitem der Jüngste unter uns ist. Als würdiges Mitglied der uranfänglichen Menschheit ist er von solch unnennbarer Jugend und Kindlichkeit, ein Baby der Entwicklungsgeschichte gleichsam, daß jedermann und besonders die Damen ihn mit teils neugierigen, teils mütterlichen Händen betasten möchten. Als lieber Besucher unsrer Gegenwart andrerseits umspannt er in voller körperlicher Frische zwei Weltepochen von solcher Auseinandergelegenheit, daß man vor seinem unnennbar hohen Alter zurückweicht in natürlichem Ehrfurchtsschauder … Ist es nicht so?«
    Beifallsgemurmel der Menschenmauer. Man lebte im mentalen Zeitalter und hatte daher ein genußvolleres Verständnis für feingeprägte Paradoxe und Antithesen als in einer Periode journalistischer Faktenanbetung. Trotz meines Uralters und meiner Urjugendlichkeit aber fühlte ich mich nicht anders als jüngst vor dem Einschlafen, also rund fünfzigjährig. Ich war wie erlöst, als die Angel in der Hand des Fremdenführers sich von mir weg und dem zerlämperten Himmelsglobus zuwandte:
    »Damals, Seigneur und liebe Zuhörer sonst«, bog er nun endlich in seinen Fremdenführervortrag ein, »damals, ehe die Goldschmiede aus ihrem zu ihrer Zeit so hochgeschätzten Metall die Bänder dieser primitiven Himmelsabbildung zurechthämmerten, hatte die Menschheit das Ärgste schon überstanden. Der Letzte Krieg wurde nämlich nicht mehr wie der Vorletzte Krieg mit rettungsloser Teufelei von allen gegen alle geführt, sondern nur mehr von ausgewählten Zehntausend gegen ausgewählte Zehntausend. Beide Zehntausend vernichteten einander innerhalb von drei dreizehntel Minuten bis auf den letzten Mann, wodurch bewiesen war, daß die waffenmäßige Austragung von Zwistigkeiten nichts mehr wirklich entscheiden und daher auch länger nicht als zeitgemäß gelten könnte. Zwar erhoben sich nach jenen drei dreizehntel Minuten der gegenseitigen Vernichtung noch einige fanatische Stimmen, welche beide Parteien zum Zwecke völliger Ausrottung aufeinander hetzen wollten, aber sonderbarer-, ehrenwerter- und unerwarteterweise siegte diesmal die Stimme der Vernunft. Man erinnerte sich mit Entsetzen des Vorletzten Krieges, der viele Menschenalter zuvor den Planeten verödet, die Überlebenden zu Höhlenbewohnern gemacht und ihnen alle Wissenschaft und, wie einige Fachgelehrte behaupten, sogar das Sprachvermögen genommen hatte. Die plumpe Geistesstufe, auf der die Menschen zur Zeit jenes Vorletzten Krieges standen, erkennen wir auch noch an ihren plumpen Waffen. Wer kennt nicht die Fernsubstanz- oder Fernschattenzertrümmerer, deren Anzahl unerschöpflich scheint? Die Kinder im Park des Arbeiters spielen mit diesen Fernsubstanzzertrümmerern, die freilich nicht mehr durch Aufknackung der Nuclei den Weltraum innerhalb der Unikel freilegen …«
    »Ich möchte doch gebeten haben«, ließ Fiancé Io-Do einen Zwischenruf hören, seine eigne Waffensammlung verteidigend.
    Die Blicke des Fremdenführers suchten mich, ehe er den interessanten Vortrag fortsetzte, den ich

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