Stern der Ungeborenen
jugendlichen Haars stilisierend nachahmte. Die Farbe ihres Gesichts war blaß und weiß. Ihr fehlte der nachgedunkelt elfenbeinerne Ton der allgemeinen Pigmentierung, der darauf hinwies, daß auch farbige Rassen in der planetaren Populace aufgegangen waren. Der Major Domus Mundi, der Seleniazuse, hatte dunkle Wunderaugen, die ich nicht vergessen konnte. Lalas Wunderaugen waren blau, und wenn ich jetzt hinzufügen wollte »blau wie«, würde die vorhin beinahe angerufene Muse die Nase rümpfen. Eines aber hatten diese großen Zyanenaugen, lange und echte schwarze Wimpern, während man sonst trotz aller Universalschönheit sehr vielen albinösen Gesichtern begegnete, deren Brauen gemalt und deren Wimpern geklebt waren. Lalas ebenholzschwarzer Haarhelm, die hohen Brauenbögen unter der blassen Kinderstirn, die langausstrahlenden Wimpern, ein eher zu großer, frischer Mund bildeten einen betörenden Gegensatz zum illuminierten Augenblau, dessen Licht wie Flut und Ebbe sich annäherte und verfernte. Das bedeutsamste Element aber lag für mich nicht in des Mädchens Schönheit, obwohl diese sofort den Brennpunkt in mir traf, sondern es lag darin, daß Lalas schönes Gesicht mir weniger fremd war, ja mich heimatlicher berührte als alle andern Menschengesichter. Ich schließe daraus, daß gewisse menschliche Werte, zu denen die Schönheit nicht als letzter gehört, weniger der Zeit, der Entwicklung und der Geschichte unterworfen sind als vieles andere. Schon dadurch, daß Lala so schön war, erinnerte sie mich an die Schönheit, deren Anblick mir einst den Atem geraubt hatte. Wie merkwürdig! Damals, in meinen Jünglingsjahren, hatte mich der Anblick von Frauenschönheit mit verzagendem Fremdheitsgefühl erfüllt. Jetzt erfüllte er mich mit verzehrendem Heimatgefühl.
Lala blickte mich aufmerksam an. Meine ungewöhnliche Herkunft schien ihr keinen Eindruck zu machen. Es fiel mir auf, daß sie mir nicht einmal die Ehre weiblicher Eitelkeit erwies. Sie wischte nämlich nicht von ihrer Wange die Spuren der Tränen, die sie vorhin in ungezogenem Zorne vergossen hatte, das verwöhnte Geschöpf. Die tiefblauen Augen betrachteten mich zunächst mit leicht zurückweisendem, prüfendem Ernst. Dann aber ernüchterten sie sich deutlich, und ich bemerkte mit Schreck und Scham, daß sie sich mit einer Heiterkeit füllten, die mir immer mehr aus Spott, Übermut und Amüsement gemischt erschien. Plötzlich aber brach Io-La, die herrliche Braut dieser Tage, in ein langes, unbezwingbares Gelächter aus, das ohne Zweifel meiner Erscheinung im Frack galt, so daß Io-Rasa und selbst die abgebrühteste aller eleganten Ururgroßmamas in Verlegenheit gerieten. Dabei war’s durchaus nicht eine schrill hysterische Reaktion, sondern das kindlichste, natürlichste, gesündeste Gelächter, wie es der Anblick einer komischen Leichenbitterfigur hervorzurufen pflegt.
Gerade darin aber bin ich leider empfindlich und eitel, das muß ich offen gestehen. Ich bin einige wenige Male während meines Lebens in die peinliche Lage des unfreiwilligen Komikers geraten. Wenn ich an diese Augenblicke zurückdenke – sie gehören zumeist meiner Jugend an – so tritt mir noch heute der kalte Schweiß auf die Stirn, und ich stampfe mit dem Fuß auf und presse die Augen zu und stoße sinnlose Worte der Beschämung hervor. Ich bin kein Rousseau und will mich nicht besser und schlechter hinstellen als ich bin, aber dieses »Register der kleinen Blamagen«, die mich zur Zielscheibe der Lächerlichkeit machten, bildet für mich eine grausamere Erinnerung als mein »Register der großen Sünden«, für die mich Gott vielleicht von der »Mors Aeterna«, dem Ewigen Tode, einst nicht befreien wird.
Lala lachte noch immer, trotz des Zuspruchs ihrer Mutter, welche die Situation retten wollte und heuchlerisch so tat, als gelte die verletzende Heiterkeit nicht meiner lächerlichen Erscheinung, sondern habe eine der vielen unergründlichen und unberechenbaren Grillen ihres Töchterchens zur Ursache. Ich aber sah, mit dem peinlichen Gefühl, blutrot geworden zu sein, an mir herab, ob etwas nicht in Ordnung sei. Vielleicht waren meine Fingernägel – es wäre ja nach einem Weltalter der Ungepflegtheit kein Wunder – lange, abscheuliche, schwarze Krallen. Nein, sieh da, die kalifornische Pompe Funèbre-Firma hatte mich sogar maniküren lassen; meine Fingernägel glänzten und zeigten einen rosa Anhauch. Beste Arbeit war geleistet worden. Was sonst? Vielleicht ein
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