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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Schmuckanhängseln ganz allein und eigenständig bewältigt zu haben, ließen ihre gemischten Gefühle über den Mantel verblassen.

    Am nächsten Morgen stand Emily schon früh auf, obwohl sie erst spät in der Nacht von ihrem Besuch bei den Ruetes zurückgekehrt waren, und verwandte ungewöhnlich viel Zeit auf ihre Toilette, bevor sie zum Frühstück hinunterging.
    »Himmel, Bibi!«, rief Heinrich, der gerade aus dem Speisezimmer kam, um nachzusehen, wo sie blieb, ihr mit einem Ausdruck höchster Verblüffung im Gesicht entgegen. »Was hast du vor? Wo willst du denn hin in diesem Aufzug?!«
    Emily zog eine Augenbraue hoch und schritt erhobenen Hauptes weiter die Stufen hinab, sich ihrer Eleganz in der raschelnden schokoladenbraunen Seidenrobe mit den durch eine weite Krinoline versteiften Röcken, der langen Schleppe und den prächtigen Ohrgehängen vollkommen bewusst. Erst als sie vor Heinrich stand, öffnete sie den Mund.
    »Mein lieber Gatte, hast du mir nicht selbst gesagt, dass heute und morgen bei euch Festtage seien?«
    »Schon, aber …«
    »Siehst du«, gab sie zurück und reckte ihr Kinn herausfordernd hoch. »Deshalb habe ich mich auch so herausgeputzt.«
    Sein Blick wurde weich. »Auf Sansibar wäre das auch zweifellos angemessen. Hier tut man so etwas nicht. Schon gar nicht«, er zog seine neue Uhr aus der Westentasche hervor, ließ den Deckel aufschnappen und sah auf das Zifferblatt, »schon gar nicht um zehn Uhr morgens.«
    Emily zuckte mit den Achseln, drehte sich auf dem Absatz um und ging die Treppe wieder hinauf. Mit hängenden Schultern, weil sie einmal mehr etwas falsch gemacht hatte, obwohl sie sich doch stets solche Mühe gab.
    Welch ein sonderbares Volk! , dachte sie bei sich. Begehen ein wichtiges Fest mit besonderen Speisen, besonderem Backwerk, schmücken Heim und Hof, geben große Summen aus für Geschenke, aber sich selbst wollen sie sich nicht in ihren besten Staat kleiden.
    Den restlichen Tag verbrachte sie in dumpfen Grübeleien über das Wesen der Weihnacht. Die Geburt Christi wurde gefeiert, und doch spielte diese bei den Festlichkeiten eine solch geringe Rolle, schien mehr bloße Dekoration zu sein denn tatsächlicher Anlass. Offenbar ging es allein um das Beisammensein mit Freunden und Verwandten, um gutes Essen und besonders um die Geschenke. Emily empfand so etwas wie Enttäuschung ob der Art, wie in Hamburg das Christfestbegangen wurde. Sie hätte sich weniger Geschenke und dafür eine religiöse Feier gewünscht.
    Auf ihren sonntäglichen Ausflügen mit Heinrich an die Elbe, die sie so sehr liebte, weil diese sie an das Meer erinnerte, hatte sie die Gläubigen gesehen, die mit ihrem Gesangbuch unter dem Arm zum Gottesdienst gingen oder von dort kamen, und den Wunsch verspürt, selbst in die Kirche zu gehen. Um dem Gott der Christen zumindest räumlich nah zu sein, wenn sie sich schon gewaltsam abgewöhnt hatte, die altvertrauten Gebete zu Allah zu sprechen, dem sie mit ihrer Taufe entsagt hatte.
    Eine Bitte, der Heinrich nur zu gerne nachkam, und Emily brachte es nicht über sich, an der Pforte gleich wieder umzukehren, als eine unerklärliche Scheu sie überkam. Die Rituale des Aufstehens und Hinsetzens, der Gebete und Lieder waren ihr fremd, die Predigt verstand sie nicht, und die vielen Abbildungen von Jesus und von den Heiligen waren ihr nicht nur rätselhaft, sie fand sie auch störend in ihrem Bemühen, sich in eine Andacht zu versenken. Sie fühlte sich von allen Seiten beobachtet. Dass mitten im Gottesdienst Geld gesammelt wurde, berührte sie peinlich, und dass sich niemand zu Gottes Ehren niederwarf, kam ihr hochmütig vor. Das Christentum hier im Norden schien ihr kühl und oberflächlich; ein Glaube ohne rechte Form und vor allem leer, gänzlich ohne Gefühl.
    Als vollkommene Araberin und gute Mohammedanerin hab ich meine Heimat verlassen. Und was bin ich heute? Eine schlechte Christin und etwas mehr als eine halbe Deutsche.
45
    Den letzten Tag des Jahres verbrachten sie zu Hause, zusammen mit Heinrichs Familie. Gemäß einer alten Tradition im Hause Ruete würzte Heinrich Rotwein mit Gewürznelken, Zimt, Sternanis, Zitronen- und Orangenschalen und zündete einen mit Rum getränkten Zuckerhut an, den er mit der Feuerzange aus dem Kamin darüberhielt, bis der Zucker flüssig geworden und in den Punsch getropft war. Emily nippte vorsichtig an dieser Mixtur. Entschlossen, die deutsche Lebensart so gut wie möglich anzunehmen, hatte sie sich schon an Schweinefleisch

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