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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Schal für Johanna Ruete miteinander zu vereinbaren, denn er fuhr erklärend fort: »Und an Weihnachten macht man einander Geschenke.«
    »Jeder? Du und ich auch?«
    »Nun, jeder schenkt denjenigen etwas, die ihm lieb sind«, erwiderte Heinrich schmunzelnd. »Was wünschst du dir denn zu Weihnachten?«
    Emily ging im Geiste die Schrankfächer und Schubladenihres Hauses durch, die mehr als reichlich gefüllt waren mit vielfältigen Kleidungsstücken, Tisch- und Bettwäsche, Silber und Porzellan, all den kleinen und großen Dingen, die das tägliche Leben erforderte, die es schöner machten oder die zumindest dazugehörten, wenn man sich in gewissen Kreisen bewegte. Das Ehepaar Ruete war das, was man als gut situiert bezeichnete, und Heinrich legte großen Wert darauf, dass es Emily an nichts fehlte. Schließlich schüttelte sie den Kopf.
    »Nichts. Ich habe doch alles, was ich brauche.«
    »Dann werde ich mir etwas einfallen lassen müssen«, kam es vielsagend von Heinrich.

    An Heiligabend verteilten sie Päckchen unter den Dienstboten – ein Paar feiner Handschuhe für Lene, einen Stapel spitzenumrandeter Taschentücher für Else, eine Schachtel Konfekt für Lisbeth und für Emma, ein Säckchen duftendes Badesalz für Gerda –, ehe sie ihnen für den Rest des Tages freigaben und eine Droschke mit unzähligen großen und kleinen Paketen beladen ließen. Heute schien besonders große Unrast zu herrschen, wie Emily hinter dem Fenster des Wagenschlags feststellte. Ganz Hamburg war auf den Beinen, um offenbar den Abend bei Verwandten oder bei Freunden zu verbringen. Besonders bemerkenswert fand sie die Gestalt eines Mannes, der eine unverpackte Pendeluhr mit sich schleppte und damit alle anderen Passanten beiseitedrängte.
    Das Haus der Familie Ruete in der Neustadt, ganz in der Nähe des liebevoll »Michel« genannten Kirchturms von Sankt Michaelis gelegen, war hell erleuchtet, und aus einem geöffneten Fenster im oberen Stockwerk schauten Johann und Andreas heraus.
    »Sie sind da!«, schallte es zu Emily und Heinrich herunter, als diese ausstiegen. Die Silhouetten der beiden jungen Männer verschwanden aus dem goldgelben Rechteck. Denmahnenden Ruf ihres Vaters ignorierend, sprangen sie polternd die Treppen hinunter, rissen die Haustür auf und stürmten mit ihren langen Beinen in den Festtagshosen über die Schwelle, um beim Hineintragen der Geschenke zur Hand zu gehen.
    »Herzlich willkommen. Kommt schnell rein ins Warme!« – »Frohes Fest!«, klang es Emily und Heinrich entgegen, und gemeinsam mit Hermann und Johanna, begleitet von einem Dienstmädchen, gingen sie in den Salon hinauf.
    »Du wartest bitte hier, bis wir dich rufen«, erklärte Johanna Ruete ihrer Schwiegertochter und drückte sie sanft in einen Stuhl, bevor sie mit ihrem Gatten und mit Heinrich verschwand. Aus der Richtung, in der das Esszimmer lag, hörte Emily emsiges Rascheln, verschwörerisches Flüstern und leises Lachen. Geheimnisvolle Aufregung lag in der Luft. Neugierde kribbelte in ihrem Bauch, sodass sie ungeduldig auf ihrem Platz herumrutschte. Über den Rand der Tasse mit Tee hinweg, die ihr inzwischen gereicht worden war, warf sie einen verstohlenen Blick zu Johann und Andreas hinüber, die sich spielerisch neckten und balgten, ohne auf ihren feinen Anzug und auf ihre gescheitelten, pomadisierten Haare zu achten. Erst das Bimmeln einer Glocke ließ sie auseinanderfahren. Johanna rief: »Ihr könnt kommen!«, und ihre Söhne rannten jubelnd los.
    Vorsichtig erhob sich auch Emily und folgte den anderen ins Esszimmer hinüber.
    Die Gesichter von Hermann, Johanna und Heinrich waren ihr in strahlender Vorfreude zugewandt, während Johannes und Andreas von einem Bein aufs andere traten. Doch sobald Emily über die Schwelle getreten war, wurde ihr Blick von etwas anderem gefangen genommen. Sie sah nur noch den Baum – eine zimmerhohe Tanne, in deren Zweigen unzählige Kerzlein brannten und in denen Zuckerstangen hingen, goldene Walnüsse und glänzende rote Äpfel;Schaukelpferde, Sterne und Engelspüppchen, die aussahen wie aus Teig gebacken oder aus einer süßen Masse modelliert. Dergleichen hatte Emily noch nie gesehen, und sie verlor sich gänzlich in der Betrachtung dieser fremdartigen Herrlichkeit, nahm kaum wahr, wie sich Heinrichs Halbbrüder auf die ersten Pakete stürzten, Bänder mit ihren Taschenmessern durchtrennten und Einwickelpapier ratschend zerrissen, Jauchzer und zufriedenes Brummen von sich gaben.
    »Bibi.« Sie schrak

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