Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
Vom Netzwerk:
keinen Fall nach Sansibar reisen. Gemäß den eigentümlichen Verhältnissen im Sultanat könne man das Verlangen des Sultans nur unterstützen, Ruete die Rückkehr zu verweigern, da die Entrüstung der Bevölkerung darüber, dass Ruete die Schwester des Sultans verführt und dass diese ihren Glauben gewechselt hatte, noch immer ungebrochen sei. Einmal mehr stellte das Privatleben von Emily und Heinrich ein Politikum dar, mit dem sich gleich drei Nationen beschäftigten.
    »Dazu haben sie kein Recht«, erklärte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Sie strafen mich, ohne dass ich je straffällig geworden wäre. Wenigstens nicht nach den Maßstäben aufgeklärter und christlicher Nationen. Ich habe meine Steuern für die Sansibar-Geschäfte bezahlt, und ich will diese Geschäfte weiterführen. Ich lasse nicht zu, dass andere das Feld abernten, das ich bestellt habe.«
    Lange hatte er seinen Vorsatz, Emily nicht in seine Pläne einzuweihen, nicht durchgehalten. Er wusste, dass sie die Hoffnung, ihre Heimat eines Tages wiederzusehen, brauchte wie die Luft zum Atmen. Sansibar könnte vielleicht die Wunden heilen, die das Leben ihr geschlagen hatte.
    Was sonst, wenn nicht der Zauber dieser Insel?
    Die Sehnsucht nach Sansibar hatte Emily auszuhöhlen begonnen. Er sah es an Schatten, die zuweilen über ihr Gesicht huschten, an den Tränen in den Augen, die mit schmerzlicher Verträumtheit ins Leere wanderten, wenn sie sich unbeobachtet glaubte. Ein Verlangen, das sich vor allem in den Nächten den Weg an die Oberfläche bahnte, wenn Emily von Sansibar träumte und wenn sie halb auf Arabisch, halb in Suaheli vor sich hin murmelte.
    »Willst du heute so früh nach Sansibar reisen?«, pflegte er sie zu necken, wenn sie sich anschickte, vor ihrer üblichen Zeit zu Bett zu gehen. »Grüß mir unsere Freunde dort!« Und doch nahm er ihre Sehnsucht ernst, weil er sie nicht nur verstand, sondern weil er sie bis zu einem gewissen Grad sogar teilte.
    Er sah Emily fest in die tränenfeuchten Augen. »Wenn wir über den Handel den Anfang machen, bekommen wir einen Fuß in die Tür. Und wenn ich erst einmal dort bin, kann ich dich und Tony nachholen.«

Im Abgrund
    Eine Hand allein kann kein Kind großziehen.
    SPRICHWORT AUS SANSIBAR
46
    Hamburg, Ende Mai 1870

    »Du kannst mich hier nicht allein lassen!«
    Emily ballte die Hände zu Fäusten, um ihr Zittern zu unterdrücken.
    »Es ist doch nur für ein paar Wochen.« Heinrich wirkte ratlos; augenscheinlich hatte er nicht mit einer solch heftigen Reaktion seiner Frau gerechnet, als er ihr nach dem Abendessen eröffnete, dass er in dringenden Angelegenheiten nach England reisen müsse.
    »Nimm mich mit!«
    Emily hörte selbst, wie schrill ihre Stimme klang, aber sie war zu aufgewühlt, um sich zu beherrschen. Sie schämte sich nicht einmal, derart die Fassung zu verlieren, eine erwachsene Frau von fünfundzwanzig Jahren und Mutter von mittlerweile drei Kindern, die einst auf Sansibar selbständig drei Plantagen geführt hatte.
    »Aber, Bibi, wie soll das denn gehen?« Heinrich stand auf, kniete sich neben Emily und nahm ihre noch immer unnachgiebig verkrampften Finger in die Hände und strich sanft darüber. »Ich werde dort alle paar Tage von Stadt zu Stadt reisen müssen. Das wird zu aufwändig und zu anstrengend sein für die Kinder. Vor allem für Rosa. Sie ist doch noch viel zu kleinfür eine solche Reise. Und hierlassen wirst du sie nicht wollen. Hast du vergessen«, seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern, »wie es dir letztes Jahr in Kopenhagen ergangen ist?«
    Nein, Emily hatte es nicht vergessen, jene Reise nach Kopenhagen im letzten Sommer. Erstaunt hatte sie zur Kenntnis genommen, dass wer immer es sich leisten konnte, im Sommer seine Koffer packte und aus der Stadt floh, um sich an der See oder in den Bergen zu erholen. Lange hatte sie sich gesträubt, diese Mode mitzumachen – sie, die ihr Leben lang vom Reisen geträumt, sich fremde Orte in den schillerndsten Farben ausgemalt hatte.
    Doch nur wer im Mutterboden fest verwurzelt ist, vermag Freude daran zu empfinden, sein Zuhause für gewisse Zeit zu verlassen und noch unbekannte Flecken der Welt für sich zu entdecken. Der Hamburger Boden war für Emily zwar keine Heimat, aber er war doch zumindest vertraut.
    Dennoch hatte sie letzten Juli Heinrichs Bitten nachgegeben, mit ihm zu verreisen. Erholung hatte er ihr versprochen, sich eine Zeit zu zweit gewünscht, ohne Tony und ohne Said, ihren Sohn, der ein Jahr und knapp

Weitere Kostenlose Bücher