Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
ein Seufzen. Wie viel leichter wäre es jetzt, auf der Stelle das Abholzen der Bäume zu veranlassen, wenn sich jemand die Mühe gemacht hätte, schriftlich festzuhalten, wann welche Bäume gepflanzt worden waren. Es konnte ja auch sein, dass sie nicht fachgerecht zurückgeschnitten worden waren oder dass eine andere Ursache zugrunde lag.
»Ich werde nachher gleich hinüberreiten und es mir selbst ansehen«, sagte sie deshalb und beschloss, künftig genaue Verzeichnisse über neu ausgebrachte Jungpflanzen führen zu lassen.
»Sehr wohl, Bibi Salmé. Ich lasse für Euch satteln.«
Die Augen von Herrin und Verwalter trafen sich für einen Moment. Sie tauschten einen zufriedenen Blick. Neben mangelnden Fertigkeiten stand der Führung einer Plantage durch eine Frau vor allem eines entgegen: das Verbot, dass sich eine Frau und ein nicht eng blutsverwandter, freier Mann jemals allein in einem Raum aufhalten durften. Als Salima nach Kisimbani gekommen war, das bis dahin Hassan bin Ali für sie verwaltet hatte, musste Salima sich auf diese Tatsache einstellen, was der Plantage mehr schadete als nützte. Salima hatte nur zwei Möglichkeiten gesehen: entweder die Aufsicht über Kisimbani allein in Hassans Händen zu belassen oderaber Hassan eine andere Aufgabe zuzuweisen. Sie hatte sich für Letzteres entschieden, und sowohl Hassan, der nun auf einer weit größeren Plantage schalten und walten durfte, als auch dessen Nachfolger, der unfreie Murjan, schienen rundum zufrieden mit dieser Regelung ihrer Bibi.
»Verzeiht, Bibi Salmé.« Salim, ihr Hausdiener, erschien im Türrahmen und verbeugte sich tief. »Der dillal , der Makler, den Ihr beauftragt habt, ist soeben vorbeigekommen.«
Salima unterdrückte den Drang, aufzuspringen und hinauszulaufen, um selbst mit dem Makler zu sprechen, doch auch hier verlangte die Sitte, dass der Kontakt schriftlich vor sich ging oder dass Mitteilungen über einen Sklaven weitergegeben wurden. »Was wusste er zu berichten?«
»Er bedauert zutiefst, noch immer kein Land gefunden zu haben, das Euren Wünschen entspräche, Bibi Salmé. Er schwört jedoch, nicht eher zu ruhen, als bis er etwas Passendes für Euch gefunden hat.«
»Ist gut, hab vielen Dank«, erwiderte sie freundlich trotz ihrer Enttäuschung.
»Zudem erwartet Euch Besuch, Bibi Salmé«, fügte der Diener hinzu. »Sayyida Zamzam ist nach Kisimbani gekommen.«
»Zamzam!« – »Salima!«
Herzlich umarmten sich die beiden Frauen, die vom Blute her Halbschwestern waren und an Lebensjahren auch nicht weit auseinanderlagen, in ihrem Verhältnis jedoch eher wie Tante und Nichte zueinander standen. Denn Zamzams Mutter war auch die Mutter jener Zayana gewesen, die einst die kleine Djilfidan in Beit il Mtoni aufgenommen hatte wie eine neue Schwester.
»Du hast dich rar gemacht«, rügte Salima lachend ihre Besucherin.
Zamzams Augen im schwarzen Rahmen der Maske verengten sich zu einem Lächeln. »Der Stand der Ehe ist ein betriebsamer, wie du gewiss auch noch feststellen wirst.«
Eine neckende Bemerkung, zweifellos leicht dahingesagt und ohne kränkende Absicht, und doch versetzte sie Salima einen feinen Stich.
»Also bist du glücklich?«, fragte Salima dessen ungeachtet voller Wärme.
Die Vermählung Zamzams mit einem entfernten Vetter vor nicht allzu langer Zeit wurde von allen Verwandten kritisch beäugt. Humayd galt nicht nur als nachgerade unanständig geizig, er war auch bereits mehrmals durch sein ungehobeltes Verhalten unangenehm aufgefallen. Als der alte Sultan und sein Sohn Khalid noch lebten, hatte er Khalid mitten in der Moschee – und damit höchst unpassend – um die Hand Shambu’as gebeten, und als Khalid diesen Antrag empört ausschlug, hatte Humayd nur auf dessen Tod gewartet, um auf nicht weniger ungalante Weise um Farshu zu werben. Ein Einfaltspinsel, wer nicht vermutete, dass das üppige Erbe der beiden Schwestern eine nicht unwichtige Rolle dabei spielte, obwohl Humayd selbst durchaus ebenfalls mit Reichtum gesegnet war.
»Sehr, Salima«, lautete Zamzams Antwort, die jubilierend klang und ihre Augen leuchten machte. »Im Hause meines Gemahls habe ich meine Erfüllung gefunden.«
Humayd hatte nicht viel Geduld aufbieten müssen, um Zamzam für sich zu gewinnen. Sie war schon fast dreißig und, obwohl sie mit einem anziehenden Äußeren gesegnet war, ohne ernsthafte Bewerber geblieben. Offenbar hatte weder Humayds Knauserigkeit sie geschreckt noch seine schon beinahe übertriebene Frömmigkeit,
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