Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
das wird nicht möglich sein.«
Nicht, wenn ich meinen Ruf nicht gänzlich aufs Spiel setzen will.
Heinrich gab einen Laut von sich, der Enttäuschung ebenso wie Verständnis bedeuten mochte. »Das dachte ich mir.«
Sie sah, wie er den Kopf in den Nacken legte und zumHimmel blickte, an dem sich bereits die Dämmerung ankündigte, dann erhob er sich. »So sei bitte in Gedanken mein Gast. Jeden Abend, an dem ich eine meiner Gesellschaften gebe, solltest du hinüberschauen. Stell dir vor, alles, was bei mir für einen solchen Anlass angerichtet ist, ist allein für dich bestimmt.«
Im Hause von Heinrich Ruete fanden in der Tat viele Gesellschaften statt. Zumeist Männerrunden, an denen oft auch der britische Konsul Henry Adrian Churchill teilnahm sowie sein Stellvertreter, der Militärarzt Dr. John Kirk, und dessen Stellvertreter Dr. Seward, wie Heinrich ihr erzählt hatte.
Es gab jedoch auch Abende, an denen Gattinnen und Schwestern eingeladen waren. Dann sehnte Salima sich besonders danach, mit am Tisch sitzen zu können. Doch selbst an einer gemischten Tafel zugegen zu sein, schien ihr ein zu großes Wagnis angesichts dessen, dass ihr Ansehen in der Stadt in den wenigen Monaten, die sie hier nun lebte, wieder gestiegen war. Die Schatten, die ihr Verrat an Majid auf sie geworfen hatte, waren gerade erst verblasst. Sie verspürte nicht das geringste Bedürfnis, neue aufziehen zu lassen, mochte der Anlass dafür auch noch so gering sein.
Dennoch spürte Salima genau, dass es nicht mehr lange so weitergehen konnte. Eines nicht allzu fernen Tages würde sie sich entscheiden müssen, ein solches Wagnis einzugehen oder aber die Verbindung zu Heinrich abzubrechen. Bevor es sie innerlich endgültig zerriss.
Das Schicksal schließlich war es, das ihr diese Entscheidung aufnötigte, und es betrat Salimas Haus in Gestalt ihrer alten Bekannten und neuen Nachbarin Zahira, die endlich Salimas immer wieder ausgesprochener Einladung auf einen Kaffee nachkam. Zahira bewunderte Salimas Einrichtunggebührend – die Maserung des Holzes von Truhen und Tischchen, die Kunstfertigkeit der Tischler, die diese angefertigt hatten. Sie zeigte sich entzückt von der Stickerei auf den dicken Sitzpolstern, lobte das Gebäck der Köchin und erzählte von ihren beiden Kindern, gefolgt von allerlei Klatsch und Tratsch aus der Stadt, an deren Quelle sie als Händlersgattin saß. Nachdem sie alle Neuigkeiten ausgetauscht hatten, druckste Zahira sichtlich herum, bevor sie zögerlich begann:
»Es geht mich zwar im Grunde nichts an … Aber du liegst mir sehr am Herzen, Salima, und deshalb – deshalb halte ich es für meine Pflicht, dir zu sagen, dass in der Stadt über dich geredet wird.« Auf Salimas fragenden Blick hin fuhr sie fort: »Dein Umgang mit dem Deutschen von gegenüber stößt auf viel Missfallen.«
Salimas Stirn legte sich in Falten. »Ich wüsste nicht, was daran Anstoß erregen könnte. Wir reden doch nur.«
Ihr Gast seufzte. »Du weißt, wie die Leute sind: Sie denken, mit Reden fängt es an – und dann …« Ihre Augenbrauen hoben sich vielsagend.
Salima kaute auf der Innenseite ihrer Unterlippe herum und starrte in ihren Kaffee. Sie spürte, wie zähe Wut in ihr emporkroch. Sie hätte wissen müssen, dass die Stadt von Sansibar tausend Augen hatte und mindestens ebenso viele gespitzte Ohren.
Zahira seufzte erneut. »Bitte sei vernünftig, Salima. Du bist kein Kind mehr, du bist einundzwanzig und noch immer unverheiratet. Dein guter Ruf ist das Wertvollste, was du besitzt. Nicht, dass du es eines Tages bitter bereust.«
Salima nippte an ihrem Kaffee und schwieg.
24
»Ich habe viel zu wenig von der Insel gesehen in den Jahren, die ich hier nun schon lebe«, murmelte Heinrich, als er neben Salima einherritt. Ein heller Hut beschattete sein leicht gebräuntes Gesicht, und die weiße, einreihig geknöpfte Jacke mit dem kleinen Stehkragen, die weißen Hosen, die in hohen Reitstiefeln steckten, warfen so grell das Sonnenlicht zurück, wie Salimas schele und Maske es in ihrer Schwärze verschluckten. Zu beiden Seiten ihres Weges reihten sich die Gewürznelkenbäume auf, Zwerge nur vor den Riesen der Kokosnusspalmen im Hintergrund. Und noch winziger wirkten die Männer, die die schlanken rauen Stämme hinaufkletterten, um mit langen Messern die glatten blassgrünen und mehr als kopfgroßen Früchte zu schlagen, die in ihrem Inneren die braunfaserige Nuss mit ihrem wertvollen Fleisch und der kostbaren Milch bargen.
Heinrich
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