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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Flüstern auslief. Hein-richhh.
    Die Saite in Salima wurde erneut angeschlagen, mit einem längeren Nachhall dieses Mal. Und nun wusste sie auch das Gefühl zu benennen, das darin mitklang: Sehnsucht. Eine vielgrößere als die nach Bububu, eine viel ältere, die weit, weit zurückreichte, bis in ihre Kindheit.
    Sie umschlang den Korb mit beiden Armen und presste ihn fest vor ihre Brust. »Wie ist es in Deutschland? In Hamburg? Erzählt Ihr mir davon?«
    Heinrich Ruete blies geräuschvoll den Rauch aus und lächelte.
    »Nichts lieber als das, Bibi Salmé.«
23
    Nacht für Nacht spann sich der Gesprächsfaden zwischen den beiden Häusern hin und her. Waren die Nächte heiß und trocken, saßen Salima und Heinrich jeder auf einem Stuhl auf dem Dach, ein Tischchen mit Tee oder Kaffee neben sich, und verplauderten die dunklen, sternenüberglänzten Stunden. Verschluckten massige Wolken Mond und Sterne, standen sie am Fenster, ihre Stimmen durchwoben vom Prasseln des Regens auf den Dächern, dem Gurgeln, wenn er von dort hinabtroff und auf die Gasse platschte.
    Obwohl Heinrich stets betonte, wie verschieden Hamburg von Sansibar sei, ließen seine Worte auf Suaheli doch ein ganz ähnliches Bild vor Salimas Augen entstehen. Eine große Stadt, dicht bevölkert, mit kleinen dunklen Gassen, aber auch durchzogen von breiten Straßen, auf denen Pferdewagen fuhren und an denen entlang sich prächtige Häuser reihten. Und Hamburg versprach noch viel prächtiger zu werden, wenn es aus seinen Ruinen wieder vollständig auferstanden sein würde. Obwohl er damals erst drei Jahre alt gewesen war, erinnerte Heinrich sich noch gut an jenen Monat Mai, als die Stadt brannte. Vier Tage und Nächte glühte der Himmel rotorange, und Rauchwolken verdunkelten die Sonne und die Sterne. An die Schreie erinnerte er sich, an Angst und Panik und andie Donnerschläge, wenn Häuser gesprengt wurden, um dem Feuer die Nahrung zu entziehen. Doch vergeblich: Ein Drittel der Stadt war ein Raub der Flammen geworden und in Asche, verkohltes Holz und Trümmer zerfallen. Noch war nicht alles neu aufgebaut, aber Heinrich hatte vor seiner Abreise bereits die neu eröffneten Arkaden am Jungfernstieg gesehen, die den Bauten in Venedig nachempfunden waren, so wie auch die vielen künstlichen Wasserwege, die Fleete , an die Lagunenstadt gemahnten. Salima besaß keine Vorstellung von Venedig, doch Heinrichs Beschreibungen beschworen eine Ahnung von Eleganz und Herrlichkeit in ihr herauf.
    Vor allem aber war Hamburg eine Hafenstadt, ganz genauso wie die Stadt von Sansibar. Nicht am Meer, das nicht, sondern an den Ufern zweier Ströme erbaut. Die nahe See war jedoch allenthalben spürbar: in der Klarheit des Lichts und im Wind, der beständig über die Stadt hinwegstrich. Im Hafen lagen Schiffe vor Anker, deren Masten und Spieren, Taue und Segel ein lockeres Gewebe schufen, das in sich das Salz der Weltmeere trug, und die rauchenden Schornsteine der ersten Dampfer kündeten vom Anbruch einer modernen Zeit. Es war die Stadt der Seeleute aus aller Herren Länder, der Matrosen und Kapitäne, die von Hamburg aus die Weltmeere befuhren; die Stadt der Hafen- und Lagerarbeiter, deren emsige Hände Schiffsverkehr und Warenverladung in Schwung hielten. Hamburg war die Stadt der kleinen Händler, die selbst noch mit anpackten, und derjenigen, die wohlsituiert in ihren plüschigen Kontoren saßen, von denen aus sie Kaffee und Tee orderten, Baumwolle, Gewürze und Tabak, und von denen aus sie Porzellan und Glas, Maschinen und Werkzeuge, Stoffe und Papier zu verschiffen in Auftrag gaben.
    In Salimas Vorstellung war Hamburg ein Sansibar des Nordens, weltoffen, wohlhabend und stolz, mit angenehm kühlem Klima gesegnet, eingebettet in eine Landschaft, die ebensogrün war wie die Landschaft Sansibars, ein Grün, das nur heller war und leichter. Hamburg mochte das Tor zur Welt sein – für Salima eröffnete diese Stadt selbst eine ganz eigene Welt, verheißungsvoll und märchenhaft. Nach und nach erhielt der Name Hamburg einen Geschmack nach Freiheit und Abenteuer, wie Minze und Pfeffer und Anis zugleich.
    Heinrich, der diesen Geschmack auf der Zunge gehabt haben musste, kaum dass er laufen gelernt hatte, war dem Ruf der Ferne gefolgt, als er gerade sechzehn Jahre zählte. Gegen den Willen seines Vaters, eines Gelehrten, der es lieber gesehen hätte, wenn sein ältester Sohn in seine Fußstapfen getreten wäre, anstatt eine Lehre in einem Handelshaus zu beginnen und sich gleich ins

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