Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
unverständliche Bruchstücke an.
»Mein Diener bringt Euch gleich etwas hinüber!«
Salima stellte sich auf die Zehenspitzen und schaute hinunter. Wenig später rannte tatsächlich ein Mann um die Hausecke, das Gesicht über dem hellen Hemd vor den kalkweißen Fassaden kohlschwarz. Er hielt etwas an sich gepresst und strebte auf den Eingang ihres eigenen Hauses zu. Unten konnte sie Stimmen hören, und kurz darauf kam eine ihrer Dienerinnen die Treppe heraufgeeilt. »Hier, Bibi, das wurde soeben für Euch abgegeben.«
Verwundert nahm Salima den kleinen runden Korb entgegen.
»Hab Dank.«
Als das Mädchen keine Anstalten machte, sich vom Fleck zu rühren, nur das weiße Tuch anstarrte, mit dem der Inhalt des Korbes zugedeckt war, wiederholte Salima mit Nachdruck: »Hab Dank!«
Schmollend trollte sich die Dienerin, und Salima ging zur Brüstung zurück. Sie schlug das Tuch zurück, betrachtete stirnrunzelnd das Brot, das darin lag, zog dann das Leinensäckchen daneben auf, stippte mit dem Finger in den weißen körnigen Inhalt, roch erst daran, bevor sie vorsichtig an einer Prise davon leckte. »Brot und Salz ?«
»Brot und Salz«, kam von der anderen Seite die Bestätigung. »Wo ich herkomme, ist das ein Brauch. Man schenkt eszum Einzug in ein neues Haus. Es soll den Bewohnern Glück bringen.«
»Solch armselige Gaben?!«, rutschte es Salima heraus, und sogleich hätte sie sich am liebsten die Zunge abgebissen.
Der Löwenmann lachte. »Der Brauch stammt aus früheren Zeiten, als Salz noch kostbar war. Und das Brot soll den Wunsch versinnbildlichen, dass die Nahrung im neuen Hause nie knapp wird.«
Salima nickte und zupfte mit gesenktem Blick an einem Zipfel des weißen Tuches.
»Habt Dank für diese freundliche Geste«, gab sie gepresst zur Antwort. Und bemüht, die ausgeteilte Kränkung ein wenig zu mildern, fügte sie hinzu: »Ihr sprecht hervorragend Suaheli.«
»Habt Ihr vielen Dank für dieses Lob«, erwiderte ihr Nachbar mit einer Neigung des Kopfes. Die Beine lässig gekreuzt, eine Hand in der Hosentasche seines dunklen Anzugs vergraben, in der anderen die glimmende Zigarre, lehnte er mit der Schulter am Fensterrahmen. »Ich lebe auch schon einige Zeit auf Sansibar. Fast acht Jahre, um genau zu sein.«
»Ihr seid gewiss ein Händler?«
Der Löwenmann nickte. »Ich bin als Agent für Hansing & Co. tätig. – Seid Ihr innerhalb der Stadt umgezogen oder kommt Ihr von weiter her?«
»Ich bin vom Land hierhergezogen«, erwiderte Salima vorsichtig, unsicher, was sie über sich preisgeben wollte oder durfte. »Aber ich habe schon einmal einige Jahre hier gelebt. – Wo kommt Ihr her?«, setzte sie hastig hinzu. »Woher stammt dieser«, sie hob den Korb leicht an und hielt ihn umklammert wie einen kostbaren Schatz, »dieser Brauch?«
»Aus Deutschland. Aus Hamburg.«
Deutsch-land. Ham-burch , wie ihr Nachbar es ausgesprochen hatte . Angehauchte Laute wie im Arabischen und diedoch ganz anders klangen. Härter und trockener, viel zu knapp, als dass sie für Salima etwas in sich hätten tragen können. Keine Bilder, keine Gerüche oder auch nur Ahnungen. Nur dass Hamburg eine Handelsstadt war, das wusste sie. Umso größer war die Neugierde, die sie als prickelnden Schauder ihren Rücken hinabjagen spürte. Doch noch ehe sie nachfragen konnte, kam es von der anderen Seite: »Wie ist Euer Name, werte Nachbarin?«
Salima zögerte einen Wimpernschlag lang, dann sagte sie: »Nennt mich Salmé – Bibi Salmé.«
»Salmé …« Er schien zu überlegen.
»Suaheli für das arabische Salima «, begann sie zu erklären, plötzlich völlig aufgekratzt. »Im Grunde passt der Name gar nicht zu mir. Es bedeutet friedlich, makellos und fehlerlos .«
»Und das seid Ihr nicht?« Er klang belustigt.
Was sollte sie darauf nur antworten? »Es bedeutet auch sicher und gesund «, fügte sie hilflos hinzu.
»Das sind zweifellos Dinge, die ich Euch von ganzem Herzen wünsche. Nicht allein in Eurem neuen Haus, sondern auf jedem Eurer Wege.«
Salima horchte auf. Der Unterton seiner Worte versetzte etwas in ihr in Schwingung wie die Saite eines Instrumentes. Ganz schwach nur und doch deutlich wahrnehmbar.
»Wie lautet denn Euer Name?«
»Heinrich. Heinrich Ruete. Eigentlich getauft auf die Namen Rudolph Heinrich, aber Rudolph mag ich noch weniger leiden als Heinrich.«
Hein-rich. Hein-richhh. Salima sagte sich seinen Namen im Geiste vor. Ein abrupter Anfang, gefolgt von einem Fauchen, das in ein sanftes, fast zärtliches
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