Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
Geschäftsbeziehungen zu Hansing& Co. abgebrochen. Witt macht sich deshalb Sorgen um die eigenen Geschäfte. Er hat vor, O’Swald in Hamburg zu bitten, Sultan Majid und Sayyid Barghash Geschenke zu schicken, um die beiden milde zu stimmen.« Als Emily schwieg, setzte er hinzu: »Für Ruete wird die Luft hier sehr dünn werden, wenn auch die Deutschen von ihm abrücken. Offenbar will schon jetzt niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben. Witt hält es für unverantwortlich, dass er sich nach wie vor hier aufhält, und ist überzeugt davon, dass er schon längst nicht mehr am Leben wäre, wenn Sayyid Barghash auf dem Thron säße anstelle von Sayyid Majid.«
»Immer wieder dieser Witt«, murrte seine Gattin. »Dieser kleingeistige Erbsenzähler, dessen Horizont nicht über seine Geschäftsbücher hinausreicht …« Sie kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe und sah dabei einen Augenblick lang nicht aus wie die selbstsichere, zupackende Arztgattin und Mutter, die sie inzwischen geworden war, sondern wie das linkische junge Mädchen, in das er sich dreizehn Jahre zuvor Hals über Kopf verliebt hatte.
»Meinst du, ich soll zu Ruete gehen und mit ihm sprechen?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht, ob er Argumenten gegenüber zugänglich ist … Aber ich wäre froh, du würdest es wenigstens versuchen, ja«, erwiderte er. »Vielleicht gelingt es dir, ihn davon zu überzeugen, die Insel so bald wie möglich zu verlassen.«
»Dann tue ich das. Gleich morgen«, kam es fröhlich von ihr, unterstrichen von einem Wangenkuss für ihren Gatten. Dessen Blick verlor sich im Halbdunkel.
»Glaubst du, es wird gut gehen?«, fragte er nach einer kleinen Pause leise. »Zwei Menschen – aus so verschiedenen Welten?«
»Vielleicht ist Liebe manchmal nicht alles«, flüsterte Emily zurück. »Aber sie erträgt viel und macht vieles leichter. Unddie beiden lieben einander so sehr, dass ich überzeugt bin, sie werden ihren Weg gehen. Gemeinsam.«
Einen Moment lang sahen sie sich an, und jeder wusste, was der andere dachte. Gelobt sei der Herr, dass uns ein gänzlich ungetrübtes Glück vergönnt ist.
Zärtlich küsste sie ihren Mann auf den Mund. »Mach nicht mehr so lange, Liebster.« Sanft löste sie sich aus seiner Umarmung und erhob sich, strich sich die Röcke glatt und ging zur Tür.
»Emily.« Sie drehte sich um, sah zu ihrem Mann hinüber, der vom Lampenschein eingehüllt war wie von einer weichen Aureole. »Du hast damit ein gutes Werk getan und bist außerdem sehr klug und geschickt vorgegangen dabei. Meine Hochachtung.«
Ein Strahlen breitete sich auf ihrem Gesicht aus, und sie deutete einen koketten, mädchenhaften Knicks an. »Haben Sie vielen Dank, Herr Doktor. Das wollte ich von Ihnen hören!« Sie warf ihm eine Kusshand zu und ließ ihn allein.
32
Emily Seward hielt Wort und suchte Heinrich gleich am nächsten Vormittag auf. Ein dunkelhäutiger Bediensteter geleitete sie in das Kontor, wo ein zweiter Angestellter gerade einen Stapel Briefe von Heinrich entgegennahm, der wie immer tadellos gekleidet war, und sich mit einem höflichen Gruß an die englische Lady entfernte. Von draußen drangen die lockenden Rufe eines Obsthändlers und Kinderlachen herein.
»Guten Morgen, Mrs Seward!«, rief Heinrich aus und kam um den Schreibtisch herum auf sie zu, nahm ihre behandschuhte Rechte und beugte sich in einem angedeuteten Handkuss galant darüber. »Verzeihen Sie, dass Sefu Sie hierhergebracht hat. Er glaubte wohl, Sie seien geschäftlich hier. Lassen Sie uns hinauf in den Salon gehen.« Blass sah er aus unter seiner leichten Bräune. Um die Augenwinkel lagen bläuliche Schatten, als hätte er mehrere Nächte nicht geschlafen.
»Machen Sie sich keine Umstände, Mr Ruete. In gewisser Weise ist seine Annahme durchaus zutreffend. Darf ich?« Sie deutete auf den Rohrstuhl vor dem von hohen Papierstapeln belagerten Schreibtisch.
»Ich bitte darum.« Heinrich machte eine einladende Geste und ließ sich auf seiner Seite des Tisches nieder. »Was darf ich bringen lassen – Kaffee, Tee oder lieber sherbet ?«
»Nichts, haben Sie vielen Dank«, antwortete Emily Seward mit einem Lächeln, stellte ihren Pompadourbeutel im Schoß ihrer Röcke ab und schälte die gehäkelten Handschuhe von den Fingern. »Ich werde Sie auch nicht lange aufhalten.« Ihre Augen, blau wie die Kornblumen ihrer Heimat, ruhten einen Moment auf den Papieren, die ihr einen geschickten Aufhänger für den Grund ihres Besuches boten. »Gehen die Geschäfte
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