Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
gut?«, erkundigte sie sich in möglichst unbedarftem, unverbindlichem Tonfall. Doch ein Blick genügte, um festzustellen, dass sie Heinrich nichts vormachen konnte. Sein kleiner, energischer Mund zuckte unter dem Bart, dann zog er ironisch einen Mundwinkel hoch.
»Dafür, dass ich beim Sultan in Ungnade gefallen bin und mir nun der Ruf eines Schwerenöters vorauseilt, vor dem man seine Schwestern und Töchter besser wegsperrt? Ja, erstaunlich gut.«
Emily Seward lachte leise, doch der ätzende Unterton seiner Worte schnitt ihr ins Herz.
»Von Hansing werde ich einstweilen keine Aufträge mehr zu erwarten haben«, fuhr er nüchtern fort. »Aber es gibt offensichtlich noch Händler, denen mein Privatleben gleichgültig ist, wenn es um gutes Geld und um gute Ware geht.«
»Sehen Sie, Mr Ruete, mir ist ebenfalls allerhand zu Ohren gekommen, was über Sie in der Stadt und vor allem im Sultanspalast geredet wird. So angespannt, wie die Stimmung derzeit ist – halten Sie es nicht für klüger, Sansibar so schnell als möglich zu verlassen? In Ihrem eigenen Interesse?«
Heinrichs Augenbrauen zogen sich zusammen. »Ist das die Empfehlung des britischen Konsulats? Zur Vermeidung diplomatischer Verwicklungen?«
Seine Besucherin ließ sich von der Schärfe in seiner Stimme nicht einschüchtern. »Nein, Mr Ruete. Ich bin auseigenem Antrieb hier, und mein Vorschlag an Sie, in Bälde von Sansibar wegzugehen, ist der gut gemeinte Ratschlag einer Freundin.«
Er schwieg einen Augenblick. »Ich fürchte, ich kann nicht. Meine Geschäfte muss ich auf jeden Fall noch zu Ende bringen.«
»Ah«, machte Emily mit einem vielsagenden Lächeln. »Die viel gepriesene deutsche Ordnung und Gründlichkeit!«
Heinrich schmunzelte verhalten. »Eher der Ehrenkodex unter Geschäftsleuten. Ich will nicht auch noch meinen geschäftlichen Ruf ruinieren und in dieser Ecke der Welt verbrannte Erde zurücklassen, wenn ich meiner Verlobten irgendwann nachreise. Außerdem«, er atmete tief durch und faltete die Hände, die Ellenbogen auf die Armlehnen gestützt, »zwingt mich die materielle Notwendigkeit dazu. Die Geschäfte als Agent Hansings waren einträglich, aber mein Ziel war immer eine eigene Gesellschaft. Aufgrund meiner …«, er suchte nach den richtigen Worten, und es brauchte ein paar Augenblicke, bis er sie gefunden hatte, »… meiner Verbindung zu Bibi Salmé und den Reaktionen darauf ist Mr Koll, mein Partner bei Koll & Ruete, aus unserer gemeinsamen Compagnie ausgestiegen. Was für mich einen erheblichen finanziellen Verlust bedeutet, den ich erst wieder wettmachen muss. Ich …«, ein Lächeln flog über sein Gesicht, »… habe ja nun bald Frau und Kind zu ernähren.«
Emily Seward nickte. »Ich verstehe.«
Heinrich lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er hatte die Unterarme auf die Lehne gelegt und rieb seine locker zusammengelegten Fingerspitzen aneinander, während er seinen Blick aus dem Fenster schweifen ließ, hin zu dem Haus gegenüber, das ihm zum Schicksal geworden war.
»Ich kann jetzt einfach nicht gehen«, kam es nach einer Weile leise von ihm. »So gern ich das auch möchte.«
Wie gern er Sansibar lieber heute als morgen verlassen wollte, das sah Emily Seward ihm an, als er sich ihr wieder zuwandte. Heinrich Ruete wirkte, als fehlte ihm etwas. Als hätte Bibi Salmé bei ihrer Flucht von der Insel ein Stück von ihm mit sich genommen.
33
Aden/südwestliches Arabien, zwei Tage später
»Was haltet Ihr davon?«
Salima schwieg und wandte ihren Blick ab. Sie nahm sich Zeit zu überdenken, was Colonel G. R. Goodfellow, Stellvertreter des britischen Residenten in Aden, ihr soeben im Auftrag von Sultan Majid in aller Ausführlichkeit dargelegt hatte. Obwohl sie ihre Antwort darauf bereits kannte.
Gemäß islamischem Recht nach wie vor ihr Vormund, hatte Majid ihr durch Goodfellow angeboten, nach Sansibar zurückzukehren. Allerdings nur unter der Bedingung, dass sie in ein eigenes Haus umziehen müsse, das er ihr zur Verfügung zu stellen gedenke, fort von dem spanischen Ehepaar, das sie so herzlich bei sich aufgenommen hatte. Sie müsse aufhören, sich in ihrem gegenwärtigen Zustand in der Öffentlichkeit zu zeigen und sich mit den Europäern Adens gemein zu machen, dieser britischen Enklave an der Küste der Arabischen Halbinsel, die schon längst von zahlreichen Sprachen und verschiedenen Kulturen geprägt war.
»Er verlangt wahrhaftig von mir, meine Beziehungen hier abzubrechen und auf keinen Fall neue zu
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