Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
mit ihrer Tätowierung hätte. Ricarda schüttelte den Kopf. Die zarte Blütenranke war unauffällig abgeheilt, wahrscheinlich auch deshalb, weil Ricarda gar keine Zeit gehabt hatte, darauf zu achten.
»Es geht um Jack«, entgegnete sie und schilderte kurz, was geschehen war.
Moana hörte mit besorgter Miene zu, dann verschwand sie in ihrer Hütte und kehrte mit einer Tuchtasche zurück. Die Heilerin schwang sich hinter Ricarda aufs Pferd.
Auf der Farm warteten einige Patienten aus der Stadt auf Ricarda. Sie bat sie um Geduld und führte Moana zu Jack.
»Du sehen nach deinen Leuten, ich bei kiritopa«, erklärte Moana.
Widerwillig stimmte Ricarda zu. Sie versorgte ihre Patienten so schnell wie möglich und eilte zurück zu Jack .
Moana hockte neben dem Bett, die rechte Hand auf seine Brust gelegt, als wolle sie seinen Herzschlag fühlen. Als Ricarda eintrat, erhob sie sich.
»Böse Geist hält Seele von kiritopa gefangen. Ich werde singen karakia, aber vorher wir ihm geben rongoa.«
Moana schlug die Tuchtasche auf. Einige der Pflanzen und Medikamente, die sie dabei hatte, kannte Ricarda, andere waren ihr fremd. Dass ein böser Geist von Jack Besitz ergriffen haben könnte, erschien Ricarda merkwürdig. Doch Moana schien fest daran zu glauben.
Du siehst ja, wie weit du mit deiner Schulmedizin gekommen bist, dachte Ricarda. Moana wird schon ihre Gründe haben. Und jemand anderen, den du um Hilfe bitten könntest, hast du nicht. Doch die Zweifel zerrten und nagten an ihr wie Raubtiere an ihrer Beute. Ich hätte ihn vielleicht bei Doherty lassen sollen. Vielleicht wäre er dann schon wieder wach.
»Kann ich helfen?«, fragte sie schließlich.
Moana nickte und deutete dann auf den Platz gegenüber. »Du wirst da sein für Körper. Ich für Geist.«
Ricarda hockte sich neben Jack und griff nach seinem Handgelenk, um nach seinem Puls zu fühlen. Noch immer keine Veränderung. Sein Herz schlug regelmäßig, aber schwach.
Dank ihrer Infusionen mit Kochsalzlösung würde er nicht austrocknen, dennoch konnte er in diesem Zustand nicht mehr allzu lange bleiben.
Moana gelang es nicht, ihm ihre Medikamente einzuflößen.
Ricarda kam die Trichtermethode in den Sinn, mit der man in einigen Irrenanstalten Menschen zwangsernährte. Das wollte sie Jack allerdings nicht antun.
Da er nicht schlucken konnte, legte ihm Moana schließlich einige Blätter, die sie zuvor mit den Fingernägeln angeritzt hatte, unter die Zunge. »Rongoa wird helfen, Geist frei zu machen für karakia«, erklärte sie.
Während die Heilerin ihre Gesänge anstimmte, blieb Ricarda starr neben Jack sitzen.
Sie fühlte sich wie damals im Versammlungshaus. Die Gesänge versetzten sie in einen tranceähnlichen Zustand, in dem sämtliche Sorgen von ihr abfielen. Erst als die Weisen verklungen waren, kehrte Ricarda in die Gegenwart zurück.
Gespannt blickte sie auf Jack, doch er lag noch immer reglos und unverändert da.
Ja, hast du wirklich ein Wunder erwartet?, schalt sie sich im Stillen.
Moana ließ sich nicht beirren.
»Ich zurückgehen und holen andere rongoa. Böse Geister sehr stark, aber ich vertreiben.«
Ricarda nickte betäubt. Ihre Verzweiflung war unermesslich. Wozu die langen Studienjahre, wenn ich mit all meinem Wissen nicht mal dem Mann helfen kann, den ich liebe?, fragte sie sich. Doch dann schalt sie sich insgeheim dafür, und ihr starker Wille drängte die Mutlosigkeit zurück. Noch schlägt sein Herz, sagte sie sich. Und solange das der Fall ist, werde ich hoffen und ihn keinesfalls aufgeben.
Am Abend kehrte das Gewitter zurück, diesmal mit einer Heftigkeit, wie sie es zuvor noch nie erlebt hatte. Der Donner hallte über das Land hinweg und fand sein Echo am Mount Maunganui. Blitze zuckten gleißend weiß, dann wieder violettrot über die tief hängenden Wolken.
Ricarda bereitete ein einfaches Abendessen aus Brot, Schafskäse und Früchten zu und empfing dann Moana, die mit einem Bündel durch den strömenden Regen zum Farmhaus gelaufen war. Sie aßen schweigend und begaben sich dann wieder an das Bett des Kranken.
Ricarda kontrollierte die Wunde und wechselte den Verband unter den interessierten Blicken Moanas.
»Wenn Wunde bekommen Feuer, dann nehmen kowhai oder harakeke«, riet die Heilerin.
Beide Pflanzen waren Ricarda mittlerweile bekannt.
Beim kowhai handelte es sich um einen Baum, dessen Holz die Maori für Umzäunungen benutzten. Mit dem Farbstoff seiner gelben Blüten ließen sich Stoffe einfärben. Und bei
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