Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
hohen Bogen auf.
Ricarda saß wie betäubt im Sattel und spürte den Regen, der auf sie niederprasselte, nicht mehr. Ihre Gedanken drehten sich ausschließlich um Jack.
Hoffentlich ist er nicht unter Dohertys Händen gestorben! Gewiss hat er ihn schon operiert.
In ihrem Magen wütete ein furchtbares Brennen. Die Furcht, dass er tot sein könne, war beinahe unerträglich. Der Weg erschien ihr unendlich lang, und als das Hospital schließlich in Sichtweite kam, raste ihr Herz, als wolle es zerspringen.
Als sie auf dem Hof Halt machten, schloss Ricarda für einen Moment die Augen. Was erwartet mich da drinnen? Jacks Leiche? Doherty, der mich rauswerfen will, wie er es angedroht hat?
Nein, das wird er nicht!, sagte sie sich entschlossen und sprang aus dem Sattel.
»Sollen wir hier draußen warten?«, fragte der Vormann, worauf Ricarda den Kopf schüttelte.
»Nein, Mr Kerrigan, kommen Sie mit. Und alle anderen auch. Ich brauche Sie. Sie müssen mir helfen, Mr Manzoni zu tragen.«
Damit rannte sie zur Tür.
Wie sie es erwartet hatte, stürmte ihr eine Krankenschwester entgegen. Ricarda erkannte die Französin, die sie so abschätzig behandelt hatte.
»Was wollen Sie hier?«, fragte sie und baute sich vor ihnen auf, als wolle sie ihren Doktor notfalls mit ihrem Leben verteidigen.
»Ich will zu Jack Manzoni«, antwortete Ricarda, während sie sich zur Ruhe zwang.
»Bedauere, aber der Doktor ...«
Weiter kam sie nicht, denn nun riss Ricarda der Geduldsfaden. »Mich kümmert es nicht, was Doherty gesagt hat!«, schrie sie. »Gehen Sie mir aus dem Weg, sonst vergesse ich mich!«
Tatsächlich sprang die Französin überrascht zur Seite.
Ricarda und ihre Begleiter strebten dem Zimmer zu, in dem sie das Freudenmädchen behandelt hatte.
Ricarda riss die Tür auf - und fand die Behandlungsliege leer vor. Eine Schwester räumte gerade auf. Auf dem Fußboden waren schmutzige Fußabdrücke zu sehen, an den Tüchern auf dem Instrumententisch klebte Blut. Kein Zweifel, hier war operiert worden.
»Wo ist Mr Manzoni?«, fuhr Ricarda die Schwester an, die erschrocken zurückprallte.
»Im Aufwachzimmer, den Gang runter.«
»Danke!« Ricarda warf die Tür ins Schloss.
Als sie in besagtes Zimmer stürmte, schreckte Doherty hoch und starrte Ricarda an, als habe er eine Erscheinung.
»Verdammt, habe ich Ihnen nicht gesagt ...«
»Ich weiß, dass Sie mir Hausverbot erteilt haben, Doktor!«, kam sie ihm zuvor. »Aber darum schere ich mich nicht. Ich bin hier, um Mr Manzoni abzuholen.«
Jack lag im Krankenbett neben Doherty. Sein Gesicht war leichenblass, Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn.
»Das können Sie nicht!«, fuhr Doherty sie an. »Dies hier ist mein Patient! Ich habe ihn operiert, und ich werde ihn weiterbehandeln. Scheren Sie sich aus meinem Haus!«
»Wirklich?«, fragte Ricarda mit einem eisigen Lächeln. »Wollen Sie mir wirklich sagen, dass ich mich rausscheren soll?«
Bevor Doherty darauf antworten konnte, bauten sich Kerrigan und die anderen Männer hinter ihr auf.
»Sie hatten keine Skrupel, mir meine Patientin abzunehmen, nachdem ich die Erstversorgung vorgenommen hatte. Sie schulden mir also einen Patienten, Herr Kollege! Ich werde Mr Manzoni mitnehmen.«
»Dazu haben Sie kein Recht!«, bellte der Arzt. »Ich werde dafür sorgen, dass Sie Ihre Zulassung verlieren, wenn Sie diesen Mann anfassen.«
»Keine Sorge, sie wird ihn nicht anfassen«, erklärte Kerrigan und trat mit drei anderen Männern vor. »Und sie gibt auch nicht den Befehl dazu. Ich glaub nicht, dass sie ihre Zulassung verlieren wird.« Damit gab er seinen Männern einen Wink. »Los, Jungs, hebt ihn samt Laken hoch!«
Angesichts der vier kräftigen Farmarbeiter blieb Doherty nichts anderes übrig, als zur Seite zu springen.
»Sie werden ihn umbringen damit!«, fauchte er und blickte Ricarda vorwurfsvoll an.
Ihre Hände waren kalt, und innerlich zitterte sie wie Espenlaub. Aber sie erwiderte seinen Blick fest.
»Sie hatten doch auch keine Skrupel, Emma Cooper zu entlassen«, entgegnete sie. »Warum denn jetzt so gewissenhaft, Doktor? Gibt es einen bestimmten Grund, warum er hierbleiben soll?«
Ricarda musste sich zwingen, die Vorwürfe zurückzuhalten, die ihr durch den Kopf schossen. »Bitte bringen Sie ihn zum Wagen, und sorgen Sie dafür, dass er weich liegt, Tom!«
Doherty wirkte, als wolle er Ricarda jeden Augenblick anspringen. Doch er wusste auch, dass es angesichts der Farmarbeiter ein Fehler gewesen wäre. Im Stillen
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