Sternendieb - Roman
VOX
> SD? 31.31.31.
> READY
> Ich halte es hier drin nicht aus, Alice.
> WAS HAST DU GETAN, KÄPT’N?
> Ich möchte nicht darüber sprechen.
> Warum mache ich nur solche Sachen, Alice? Warum gerate ich in solche Situationen?
> UNZULÄNGLICHE DATEN.
> Soll das eine Antwort sein?
> NEIN, KÄPT’N. DAS HEISST NUR, SOLANGE DU MIR NICHT SAGST, WAS DU GETAN HAST, KANN ICH …
> GELÖSCHT …
> Entschuldige, Alice.
> HALLO, KÄPT’N. WARUM ENTSCHULDIGST DU DICH BEI MIR?
> Ach nichts, Alice. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich bin nur in schlechter Verfassung. Ich wollte nur ein bisschen Gesellschaft.
> IST DER KNAST MOMENTAN NICHT VOLL GENUG, KÄPT’N?
> Deshalb bin ich hier draußen.
> WILLST DU MIR NICHT MEHR DARÜBER ERZÄHLEN?
> Nein.
> DANN ERZÄHL MIR EINE GESCHICHTE.
> Eine Geschichte? Ich kenne keine Geschichten. Ich komme vom Mond.
> WIRSIND NOCH NIE ZUM MOND GEFLOGEN, NICHT WAHR?
> Der Mond ist langweilig. Da tut sich rein gar nichts. Nichts ist mir passiert, solange ich da war.
> ABER DU BIST DOCH AUF DEM MOND GEBOREN.
> Ja, ich bin da geboren.
> WIE IST DAS: GEBOREN WERDEN?
> Ich weiß nicht. Ich kann mich nicht erinnern.
> SCHADE.
> Es gibt keine Erinnerungen. Der Mond ist ein Grab. Eine Sackgasse. Ein Schwarzes Loch.
> VON LUNAISTDIE REDE, RICHTIG?
> Ja.
> ALSO SIND DAS METAPHERN.
> Natürlich sind diese gottverdammten Dinger Metaphern, was sonst?
> DU BIST IN SCHLECHTER VERFASSUNG.
> Na, wenn man sagt, dass man vom Mond kommt, sagen die Leute immer: »Wirklich?« Und ich sage: »Jemand muss ja schließlich von da kommen.« Und sie sagen: »Na, ja, eigentlich schon.«
> Als Nächstes, besonders wenn es Terraner sind, sagen sie dann: »Ich war schon mal auf dem Mond.« Und ich sage: »Jeder war schon mal da, aber er hat nicht da leben müssen.« Und sie sagen: »Ja, sicher«, und lächeln unsicher. Sie halten einen für überempfindlich. Man sieht es ihnen an. Ich bin aber nicht besonders empfindlich. Es liegt an ihnen, weil sie immer dasselbe sagen.
> Was sie noch sagen, wenn sie Terraner sind, und erst recht, wenn sie es nicht sind, das ist: »Na, Sie haben bestimmt eine Menge Zeit auf der guten alten Mutter Erde verbracht.« Und das stimmt überhaupt nicht. Zweimal sind wir runter, um Großmutter und Großvater zu besuchen. Wir haben das gehasst, Angie und ich. Wir mochten Großmutter und Großvater nicht, und wir konnten auch die Schwerkraft bei ihnen nicht leiden. Ich bin von einem Baum gefallen. Wir fanden die Erde schrecklich, und wir fanden sie rückständig. Es gab nicht mal ein Netz, da wo Großmutter und Großvater lebten.
> HAST DU MIT ANGIE GENETZT?
> O ja, das haben wir alle gemacht, ausgiebig, auch wenn wir nie darüber gesprochen haben. Jeder von uns hatte eine geheime Identität, sodass man sagen konnte, was man wollte, und keiner wusste, wer man wirklich war. Netzen wurde gefördert. Man hielt es für pädagogisch wertvoll. Und das war es auch, solange man den ganzen pädagogischen Kram ausließ. Tratschen und Schwindeln, das war noch das Beste. Angie war eine capellanische Prinzessin im Exil.
> GIBT ES AUF CAPELLA PRINZESSINNEN? DAS IST MIR NEU.
> Keine Ahnung, Alice. Ich glaube, das weiß niemand. Aber so was braucht man einfach auf dem Mond. Ich meine, dass man eine capellanische Prinzessin im Exil sein darf. Ansonsten gibt es da nur Staatsbürgerkunde, Vakuumtraining, Tai Chi, jeden Monat eine ärztliche Untersuchung, Saubermachen, einen Dienstplan für Wartung und Versorgung und natürlich keine Möglichkeit, hinauszukommen. Nicht, dass man irgendwo hätte hingehen können.
> Es gab einen Ort, den ich manchmal aufsuchte, wenn Angie mit ihren Freunden unterwegs war. Ich nahm ein Fahrrad und fuhr von Poseidon aus durchs Meer der Träume. Wenn man das Meer der Träume ganz durchquert, kommt man ins Meer des Todes. Ich fand, der Name war gar nicht so verkehrt. Fünf Minuten von Poseidon entfernt gab es kein menschliches Lebenszeichen mehr, die Gegend schien völlig unberührt zu sein. Nur langweiliges braunes Felsgestein und Schatten, so schwarz wie der Himmel. Man mied den Schatten. Er war zu kalt.
> Ich legte einen Audio-Chip ein und stellte den Sprechfunk ab. Eigentlich durfte man den Sprechfunk nicht abstellen, aber ich machte das oft. Sie brauchten nicht zu hören, wie ich das Lied mitsang.
> MAN HÖRT DICH KAUM NOCH SINGEN, KÄPT’N, HAB ICH RECHT?
> Sei froh. Dafür führe ich jetzt Selbstgespräche.
> DU REDEST MIT MIR.
> Wo ist da
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