Sternenfaust - 020 - Verschwörung in der Hohlwelt
wollte.
Trotzdem besaß der Ex-Minister noch das Privileg, dem Kaiser auf gleicher Ebene zu begegnen, gehörte also zu denjenigen, die den erhöhten Laufsteg im Thronsaal betreten durften. Der geschasste Höfling näherte sich protokollgerecht mit demütig gesenktem Haupt dem Thron des Kaisers, der ihm sogar die Ehre erwies, sich von seinem Thron zu erheben. Jedenfalls hatte Wrugal das in jenem Moment so eingeschätzt. Doch dann wurde er eines Besseren belehrt. Bei dem Höfling handelte es sich um einen alten, gebrechlichen Kress, dem anzusehen war, dass er sich damit abgefunden hatte, in der Einöde der Provinz schon bald sein Leben zu beenden.
Rrouh blieb damals vor seinem Thron stehen und senkte in einer leichten Verbeugung den Kopf. In diesem Augenblick hielt jeder im Saal den Atem an. Dem alten Höfling indes waren die Feinheiten des Protokolls im Verlauf eines langen Lebens am Hof in Fleisch und Blut übergegangen und so beugte auch er sein Haupt und achtete sorgfältig darauf, dass er sich deutlich tiefer bückte als sein Herr. Der Kaiser, der kaum halb so alt war wie der Ex-Minister, krümmte jetzt den Rücken. Er hielt dabei das Gesicht gerade nach vorne gerichtet, um genau die Reaktion seines Gegenübers beobachten zu können. Kein Wort wurde gesprochen und so konnte man deutlich das mühevolle Ächzen hören, als sich der alte Mann noch tiefer bückte. So verharrten beide für unerträglich lang erscheinende Augenblicke. Nur noch wenige Schläge und der Alte würde vor Anstrengung zusammenbrechen.
Der Kaiser schnellte abrupt wieder hoch, drehte sich in der gleichen Bewegung halb um seine Achse, vollführte mit der rechten Hand eine betont nachlässig wirkende Geste in die Richtung des alten Höflings und verschwand aus dem Thronsaal, noch bevor es dem ehemaligen Minister gelungen war, sich ebenfalls wieder ganz aufzurichten.
Diese in Form und Ablauf verfeinerte Demütigung hatte in Wrugal einen tiefen Eindruck hinterlassen, sodass er jetzt die freundliche Aufforderung, Platz zu nehmen, ungläubig registrierte und erst befolgte, als sich der Kaiser hinter seinem Schreibtisch erhob und einen Stuhl heranrückte.
»Mein treuer Bruder, Prinz Kuchta, wünscht eine Unterredung mit ihm unter vier Augen. Sein Mund ist mein Mund, seine Augen sind meine Augen und seine Ohren sind meine Ohren«, sagte Rrouh. Er begann, in einigen Papieren zu blättern.
»Sie waren doch mal Telegraphenmeister?«, ertönte von der Seite eine leise Stimme aus dem Halbdunkel.
Gehorsam wandte sich Wrugal zu seinem neuen Gesprächspartner und bejahte.
Das Scharren eines weiteren Stuhles erklang. Prinz Kuchta rückte näher an Wrugal heran. Sie saßen jetzt leicht versetzt zueinander, wobei Wrugal dem wie unbeteiligt wirkenden Kaiser hinter seinem Schreibtisch die linke und dem Prinzen die rechte Seite zuwandte. Es wäre ungebührlich gewesen, der Majestät den Rücken zuzukehren, aber ebenso unhöflich, dem Prinzen über die Schulter hinweg zu antworten. In dieser Position konnte er zumindest seinen Oberkörper schnell genug in die eine oder andere Richtung drehen. Unbehaglich blieb die Konstellation allemal, und Wrugal war sich sicher, dass genau dies vom Prinzen auch beabsichtigt war.
»Der kaiserliche Telegraphenmeister, der die Ehre hat, den gleichen Namen zu tragen wie Sie, Hoheit, war seinerzeit mein Verbindungsmann in Kraydorr«, antwortete Wrugal.
Der Name ist auch in der Hauptstadt nicht gerade häufig , dachte er dabei, die Persönlichkeiten der beiden könnten aber unterschiedlicher kaum sein …
»Der Kaiser und ich haben eventuell einen Auftrag für Sie«, fuhr der Prinz mit leiser Stimme fort. »Es stimmt doch, dass seinerzeit Wesen in den Randzonen aufgetaucht sind, die behauptet haben, von einer Welt außerhalb der unseren zu kommen?«
Wrugal wand sich. Er hatte über die Begegnung nur mit dem Ältestenrat seines Volkes gesprochen, aber seinerzeit waren auch zwei junge Besatzungsmitglieder eines havarierten und von den Schtukuhl-Rebellen gekaperten Luftschiffs mit den Fremden zusammengetroffen. Sympathische, junge Leute, die aber zweifellos nach ihrer Rückkehr über dieses Treffen Bericht erstattet hatten.
Er begann zu ahnen, warum man den Ältestenrat dazu gedrängt hatte, einen diplomatischen Vertreter nach Kraydorr zu entsenden. Er ahnte auch, warum ausgerechnet er in die Hauptstadt an den Kaiserhof geschickt worden war. Er kam sich einfältig vor, dass er seinerzeit keinen Verdacht geschöpft hatte, als die
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